Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
Vom Netzwerk:
kann ich mir vorstellen. Was ist mit deinem Nachbarn passiert?«
    Sie sah ihn kurz an. »Hast du Verständnis dafür, wenn ich dir das später erzähle?«
    Â»Aber natürlich. Entschuldige!«
    Er hielt ihr die Tür auf. Draußen schlug ihnen der eisige Polarwind entgegen. Mit Rock und kurzen Ärmeln hätte sie eigentlich frieren müssen, aber dem war nicht so. Vielmehr hatte sie das Gefühl, wie auf Watte zu gehen, als sie sich Stigs Auto näherten. Plötzlich knickten ihre Beine ein, und sie spürte nur noch, wie sie in eine bodenlose Tiefe stürzte.
    Â»Maja!«, rief jemand aus weiter Ferne.
    Stig griff nach ihr, während sie fiel. Er verdrehte sich das Fußgelenk, schaffte es aber im letzten Moment, sie beide auf den Beinen zu halten.
    Sie sah ihn verwirrt an, als sie wieder zu sich kam.
    Â»Was ist passiert?«, fragte sie benommen.
    Â»Ich glaube, dir ist schwindelig geworden.«
    Â»Wirklich?« Sie versuchte sich aus seinen Armen zu befreien.
    Stig schaute sie ernst an. »Du solltest dich untersuchen lassen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Alles in Ordnung.«
    Â»Ich kann dich doch nicht nach Hause fahren, wenn du in so einem Zustand bist.«
    Â»Stig, ehrlich, es geht mir gut.«
    Â»Sicher?«
    Sie nickte. »Aber hättest du was dagegen, mich zum Scan Inn zu fahren? Ich glaube, ich schaffe es nicht, heute Nacht zu Hause zu schlafen.«
    Â»Natürlich. Aber du kannst auch gern bei mir übernachten. Ich schlafe dann auf dem Sofa.«

    Sie blickte zu Boden und entgegnete zögerlich:
    Â»Das ist sehr nett von dir, aber …«
    Â»War nur ein Angebot«, sagte er rasch und öffnete den Wagen mit der Fernbedienung.
    Schweigend fuhren sie durch die leere Stadt, bis Maja die Stille brach: »Woher wusstest du, dass ich auf dem Revier bin?«
    Â»Nachdem ich eine Dreiviertelstunde lang im La Maison auf dich gewartet hatte, rief mich jemand aus der Redaktion an und informierte mich über den Mord in der Losgata. Zuerst dachte ich, du wärst es, die abgehauen war.«
    Â»Wirklich?«
    Â»Ja«, antwortete er ernst.
    Â»Solltest du jetzt nicht eigentlich bei der Arbeit sein?«
    Er zuckte die Schultern.
    Â»Aber das ist doch eine große Story für euch.«
    Â»Eine Riesenstory. Also war es auch kein großes Problem, mich von jemandem vertreten zu lassen.«
    Sie war gerührt von seiner Fürsorge, bis ihr plötzlich durch den Kopf schoss, dass Stig sehr wohl bei der Arbeit war. »Dafür bist du jetzt mit der einzigen Zeugin zusammen.«
    Stig schaute verstohlen zu ihr hinüber, ehe er vor einer roten Ampel abbremste. »So betrachte ich das aber gar nicht.«
    Â»Warum bist du dann aufs Revier gekommen?«
    Â»Warum fällt es dir so schwer zu glauben, dass es jemanden gibt, der sich um dich Sorgen macht?«
    Â»Weil ich so was nicht brauche.«
    Stig blinkte rechts, wo sich das Scan Inn Hotel befand.
    Â»Dann bist du der einzige Mensch auf der Welt, der so was nicht braucht.«
    Für einen kurzen Moment begegneten sich ihre Blicke, ehe sie den Kopf abwandte.

    Â»Habe ich mich schon bei dir bedankt?«
    Stig antwortete nicht. Maja sah aus dem Fenster auf den hohen Betonturm, der vor ihnen in den Himmel ragte. Auf dem Dach drehte sich das rote Scan-Inn-Logo. Das Hotel war gewissermaßen die Antwort des Fremdenverkehrs auf McDonald’s, ein anonymes Fastsleep-Universum, dem man im Grunde nicht angehören wollte. Sie hatte schon den kalt lächelnden Mann an der Rezeption vor Augen, das anonyme Zimmer, die Geräusche der Pay-per-view-Pornos aus den Nachbarzimmern und eine Minibar, die sie in weniger als einer halben Stunde geplündert haben würde.
    Â»Dürfte ich mir vielleicht gegen eine Flasche Chablis für eine Nacht dein Sofa ausleihen?«
    Stig antwortete nicht. Stattdessen trat er aufs Gaspedal und fuhr über die menschenleere Kreuzung.
    Â 
    Maja zog sich die Decke um die Schultern, nachdem sie es sich in einer Ecke von Stigs Sofa gemütlich gemacht hatte.
    Â»Ist das nicht merkwürdig?«
    Â»Was?«
    Â»Normalerweise macht mir der Anblick von schweren Verletzungen nichts aus. Aber bei Kvam …«
    Â»Scheint ja auch ein äußerst brutaler Mord gewesen zu sein«, entgegnete Stig und legte ein weiteres Holzscheit in den Kaminofen.
    Â»Trotzdem, in der Notaufnahme habe ich auch schon die hässlichsten Verletzungen

Weitere Kostenlose Bücher