Die Anatomie des Todes
gesehen.«
Stig schloss die Ofenklappe. »Man reagiert eben von Situation zu Situation unterschiedlich.«
Sie nickte bloà und streckte die Hand nach dem WeiÃweinglas aus, das auf dem Couchtisch stand. Die Musik, die er aufgelegt hatte, kam ihr bekannt vor. Sie war still, wohltuend und verführerisch. Im Grunde hatten sie jetzt gerade ihr erstes Date. Stig kam zu ihr herüber und setzte sich an
das andere Ende des Sofas. Ihre FüÃe berührten sich kurz, ehe beide ihre Beine anzogen.
Sie hatte sich ein Sweatshirt und eine Jogginghose von ihm ausgeliehen, nachdem sie eine halbe Ewigkeit unter der heiÃen Dusche gestanden hatte. SchlieÃlich hatte Stig an die Tür geklopft und sich besorgt erkundigt, ob alles in Ordnung sei. Dennoch hatte sie das Gefühl gehabt, Kvams Blut nicht vollständig abwaschen zu können. Immerzu entdeckte sie am Unterschenkel und am linken Arm weitere Flecken. SchlieÃlich hatte sie aufgegeben, wohl wissend, dass sie das beklemmende Gefühl nicht loswurde, auch wenn sie sich die Haut vom Leib schrubben würde. Ihren Rock hatte sie Blindheims Ermittlungen zu Ehren bereits in eine Plastiktüte gelegt. Morgen würde sie ihn beim Polizeirevier vorbeibringen.
Stig hatte ein wunderschönes Haus. Klein, aber gemütlich.
»Wohnst du schon lange hier?«
»Ich bin hier geboren.«
Sicher will er hier auch sterben, dachte sie, röchelnd vor seinem Kaminofen. »Hast du Familie?«, fragte sie mit warmem Lächeln.
»Ja, meine Eltern und einen kleinen Bruder. Sie wohnen alle hier in der Stadt, aber an unterschiedlichen Enden.«
»Der Familienfrieden ist also gesichert?«
»Kann man so sagen. Was ist mit deiner Familie?«
Sie rang sich mit Mühe zwei, drei Sätze ab, sodass er lieber nicht weiterfragte.
Die Scheite im Ofen knackten, während sich der Duft des brennenden Holzes im Zimmer ausbreitete. Dennoch saà der Gestank, der in Kvams Wohnung geherrscht hatte, noch immer in ihrer Kehle fest.
»Was ist das nur für ein Mensch, der zu so einer Grausamkeit fähig ist?«, fragte sie unvermittelt.
»Wahrscheinlich muss man dazu psychisch krank oder sinnlos betrunken sein.«
»Betrunken?«
»So brutale Morde unter Alkoholikern sind hier oben nicht selten. Manche laufen aus nichtigen Gründen regelrecht Amok.«
»Ich glaube, ich habe Kvam niemals nüchtern erlebt. In seiner Küche standen solche Glasballons, in denen man selbst Wein ansetzt. Vielleicht hat er seinen selbstgemachten Fusel sogar verkauft.«
»Kann gut sein. War er eigentlich ein aggressiver Typ?«
»Nein, nur aufdringlich.« Maja erzählte von ihren ewigen Streitereien und dass er an ihrer Unterhose geschnüffelt hatte.
Stig konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie erzählte ihm auch, dass sie Kvam habe besuchen wollen, um etwas über sein Verhältnis zu Jo herauszubekommen.
»Hast du sie denn mal zusammen gesehen?«
»Nein, aber er hat so geredet, als würde er ihn kennen, zumindest vom Hörensagen.«
»Du hast sie aber nie zusammen gesehen?«, fragte Stig noch einmal.
»Das einzige Mal, dass ich Jo gesehen habe, war auf der Krankentrage.«
»Hat Kvam überhaupt Kontakt zu anderen Leuten gehabt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Davon habe ich nie was mitbekommen. Ich habe allerdings auch alles dafür getan, ihm aus dem Weg zu gehen.« Stig lächelte sie an und leerte sein Weinglas.
Maja musste an Kvams Wohnungstür denken. Dass sie jeden Tag dort hatte vorbeigehen müssen. Oft hatte sie sich vorgestellt, wie der Boden unter ihrem Bett einbrach und sie mitten in Kvams grauenhafter Wohnung landete.
Stig griff nach der halbvollen Weinflasche. Seinem Gesichtsausdruck nach, kam ihr Angriff für ihn wie aus heiterem Himmel. Ebenso plump wie Petra Jakola warf sie sich auf ihn und küsste ihn heftig. Gierig und unbeholfen gelang es ihr, ihm ihre Zunge in den Mund zu stecken und sich gleichzeitig die Jogginghose von den Beinen zu zerren, die an ihrem rechten FuÃgelenk hängen blieb. Mit entblöÃter Scham lag sie auf dem Sofa und machte sich am Hosenstall eines fremden Mannes zu schaffen. Der fremde Mann fragte wie in Trance, ob sie auch sicher sei. Sie hatte keine Lust zu antworten, doch sie wollte ihm so nah wie möglich sein. Wollte das Leben, seinen Schweià und seine Körperwärme spüren. Seinen Atem und seine Hände und
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