Die Anatomie des Todes
schein, was allerdings auch an ihrem kräftigen Make-up liegen konnte. Sie trug einen engen, schwarzen Rock und ein Top aus Seide. Majas Blick fiel sofort auf die tätowierte Anakonda, die sich ihren rechten Arm hinaufschlängelte. Sie wandte rasch den
Kopf ab und widmete sich den Piercingringen, die in einer Vitrine lagen.
»Was für ein interessanter Ohrring«, sagte Maja und zeigte auf ein Exemplar, das aus Horn bestand und den Durchmesser einer Fünfkronenmünze besaÃ.
Die Frau warf nur einen flüchtigen Blick auf die Vitrine und entgegnete mit dem Stolz einer Fachverkäuferin: »Der gröÃte hat einen Durchmesser von acht Zentimetern. Er ist ungefähr doppelt so groà wie der in der Vitrine.«
Maja lächelte beeindruckt, um ihr zu schmeicheln. »Ist das nicht sehr schmerzhaft, den anzubringen?«
»Lieber hier als auf den Salomon-Inseln, von denen er stammt. Dort werden immer noch die groÃen Angelhaken benutzt, um das erste Loch in das Ohrläppchen zu stechen.«
Die Frau lächelte verschmitzt, und Maja hatte das Gefühl, dass sie unterschiedliche Vorstellungen von Schmerz hatten.
»Interessieren Sie sich für ein bestimmtes Piercing?«, fragte die Frau.
»Ganz und gar nicht!«, antwortete Maja.
Die Antwort schien der Frau nicht zu gefallen, die die Stirn runzelte. Maja fügte rasch hinzu, dass sie gekommen war, um sich eine bestimmte Tätowierung anzusehen. Die Frau bat sie, auf dem Sofa Platz zu nehmen, dann würde sie das Portfolio des Künstlers sowie ein Glas Darjeeling holen.
»Sie trinken doch Tee?«
»Aber ja«, antwortete Maja. Sie wollte alles trinken, was ihr serviert wurde, solange sie nicht gestochen wurde.
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Maja blätterte langsam in den Ledermappen, die ihr die Verkäuferin gebracht hatte. Sie hatte sich neben sie gesetzt und erklärt, dass ihr Geschäft über zwei feste Tätowierer verfüge, deren Werke sie in den Mappen betrachten könne.
Maja studierte jedes einzelne der farbenfrohen Motive, die mit äuÃerster Sorgfalt präsentiert wurden, doch entdeckte sie keines, das auch nur annähernd demjenigen glich, das sie auf dem Handrücken gesehen hatte.
Die letzte Mappe enthielt Tätowierungen eines befreundeten Künstlers, der hin und wieder mit ihrem Studio zusammenarbeitete. Unter jedem Motiv war der Name seines Schöpfers abgebildet. Maja hielt nach Leifs Namen Ausschau, während sie sich von Seite zu Seite vorarbeitete.
»Haben Sie etwas gefunden?«
Maja legte die Mappe auf den Glastisch zurück und schüttelte den Kopf.
»Leider nein.«
»Vielleicht versuchen Sie sich einmal vorzustellen, wie genau es aussehen sollte. An welchem Körperteil möchten Sie es denn haben?«
»Auf dem Handrücken.«
Die Frau schaute sie verblüfft an.
»Nun, im Grunde ist es gar nicht erlaubt, ein Tattoo auf dem Handrücken anzufertigen, und ich zweifle auch daran, dass Ihnen das gut stehen würde. Wie kommen Sie auf diese Idee?« Sie schaute Maja neugierig an.
Da Maja nicht wusste, was sie antworten sollte, sagte sie einfach die Wahrheit. Zumindest weitgehend. Die Frau hörte ihr aufmerksam zu, während Maja von dem Ãberfall in der Praxis erzählte.
»Mein Gott, wie schrecklich!«
Maja nickte und zeigte ihr zum Beweis die kleine Narbe an der Schläfe. Die Frau warf einen bedauernden Blick auf die Narbe und sagte, sie habe darüber in der Lokalzeitung gelesen, doch im Moment geschähen ja so viele furchtbare Dinge in der Stadt. Sie könne jedoch garantieren, dass das fragliche Tattoo nicht in ihrem Studio entstanden sei. »So etwas machen wir nicht!«
»Könnte dafür jemand in der Stadt infrage kommen?«
»Das nächste Tattoostudio gibt es erst in Stavanger«, sagte sie. »Doch jeder, der eine Nadel und ein bisschen Tinte hat, ist im Prinzip dazu in der Lage.«
Maja nickte. Sie wusste nicht, ob es klug war zu fragen, tat es aber trotzdem. »Was ist mit Leif ⦠dem Punker?«
»Leif?«
»Er hat früher einen Laden in der Talggyden gehabt.«
»Sie sind ja ganz schön herumgekommen.«
Maja lächelte die Frau vorsichtig an.
»Wie heiÃen Sie?«
»Maja. Maja Holm.«
»Ich heiÃe Rebekka. Ãbrigens glaube ich nicht, dass Leif für das Tattoo verantwortlich ist. Ich bin mir sogar völlig sicher.«
»Warum?«
»Weil er seit zehn Jahren
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