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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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auf dem Bildschirm. Hingegen war sein Platz im Studio von einem korpulenten Kollegen mit sehr dünnen Lippen übernommen worden, der sichtlich nervös war, plötzlich im Rampenlicht zu stehen. Mit Stig als Anchorman wirkten die Nachrichten um einiges professioneller. Sie wollte warten, bis ihr die Druckwelle des Wasserfalls siebenmal entgegenschlug, und es dann ein weiteres Mal bei ihm probieren. Sie spürte mit Verwunderung, dass die Gefühle sich wieder einstellten, die sie früher für Jan empfunden hatte. Und es erschreckte sie
auch. Nicht dass sie Angst vor einer neuen Enttäuschung gehabt hätte, und im Grunde war es auch Jan, der die größere Enttäuschung hatte verkraften müssen. Es war unglaublich, wie sehr der Hass das Erscheinungsbild einer Person verzerren konnte. Wie sehr die psychische Eintrübung einen physischen Ausdruck fand. Dabei wusste sie sehr genau, dass sie ihn zu unrecht verteufelte. All ihre Liebe und Respekt waren durch eine grenzenlose Abscheu ersetzt worden, einen fast physischen Widerwillen gegen seinen Körper, seine Stimme, seinen Geruch. Eine Abscheu, die ihr fast die Luft zum Atmen genommen hatte.
    Auch am Kopenhagener Hafen hatte sie am Wasser gestanden und ihr Spiegelbild betrachtet. Doch anstatt dem Sog nachzugeben und sich einfach fallen zu lassen, stand sie jetzt hier. Weit entfernt, und doch musste sie sich mit all dem auseinandersetzen, vor dem sie geflüchtet war.
    Das Handy vibrierte in ihrer Tasche. Wieder war Stig ihr zuvorgekommen. Er sprach, als hätte er eine Socke im Mund, was es gemeinsam mit dem Tosen des Wasserfalls unmöglich machte, ihn zu verstehen. Maja rief ins Telefon, dass er einen Augenblick warten solle. Sie hüpfte vom Geländer herunter und lief zu ihrem Mercedes.
    Â»So, da bin ich wieder«, sagte Maja und warf die Autotür zu.
    Â»Was machst du da eigentlich?«, hörte er eine verschnupfte Stimme am anderen Ende.
    Â»Ich schaue mir dem Jættewasserfall an.«
    Â»Ich schau mir nur mein Bett an – ganz schön langweilig.«
    Maja hatte bereits vor einiger Zeit festgestellt, dass der Grippevirus von seiner Weltreise in ihre Stadt zurückgekehrt war, und sich selbst dagegen geimpft.
    Â»Soll ich einen Hausbesuch bei dir machen?«
    Â»Ach, lass nur. Ich glaube, ich möchte jetzt am liebsten
bis morgen durchschlafen. Ich habe nur angerufen, um deine Stimme zu hören.«
    Sie war gerührt, sagte jedoch nichts.
    Â»Hast du Lust, mit mir essen zu gehen, wenn ich wieder auf dem Damm bin?«
    Â»Ja, das wäre schön. Außerdem müssen wir ja irgendwann unsere Bouillabaisse nachholen.«
    Stille.
    Â»Stig?«, fragte sie vorsichtig.
    Er hustete so heftig, dass Maja das Handy vom Ohr nehmen musste, bis er fertig war.
    Â»Natürlich«, sagte er dann. Ich … ich freu mich.« Sie hörte, wie seine Laune sprunghaft anstieg.
    Sie wollte sich schon verabschieden, als er fortfuhr: Ȇbrigens habe ich einen Anruf von Crown Oil Contractors bekommen.«
    Â»Die Firma, für die Øivind Munkejord gearbeitet hat?«
    Â»Früher hat er mal für sie gearbeitet«, antwortete Stig, »seinen letzten Vertrag aber anscheinend nicht erfüllt.«
    Â»Wo ist er denn abgeblieben?«
    Â»Das konnten sie mir nicht sagen. Vielleicht hat er ja ein besseres Angebot von einer anderen Firma gekriegt.«
    Â»Ist es nicht merkwürdig, dass es so gar kein Lebenszeichen von ihm gibt?«
    Â»Eigentlich nicht. Leute wie er, die sich von Job zu Job hangeln, sind eigentlich ständig unterwegs. Der kann inzwischen genauso gut im Südchinesischen Meer wie in der Nordsee arbeiten. Oder zur Entspannung zu Hause auf dem Sofa liegen.«
    Â»Das mit dem Sofa kann ich ja nochmal überprüfen.«
    Â»Und was willst du ihn fragen, wenn du ihn erreichst?«
    Â»Etwas zu seinem alten Freund Jo Lilleengen natürlich.«
    Â»Hältst du es wirklich für eine gute Idee, die ganze Geschichte wieder aufzurollen?«

    Â»Er war schließlich der Letzte, der Jo gesehen hat. Irgendwas muss er doch wissen.«
    Stig seufzte demonstrativ. »Du passt doch gut auf dich auf?«
    Â»Wie immer.«
    Â»Ich meine es ernst. Diese Leute, die auf Ölplattformen arbeiten, sind ein ganz besonderer Schlag. Und meistens ziemlich humorlos.«
    Â»Ich glaube, das gilt für die meisten Einwohner dieser Stadt. Ruf mich an, wenn du wieder gesund bist.«
    Kurz

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