Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
Vom Netzwerk:
dem Bild, das sich Maja inzwischen von ihm gemacht hatte. Außerdem passte es auch nicht dazu, dass er clean geworden war und sich zum Sozialarbeiter ausbilden lassen wollte.
    Dennoch wunderte es sie, dass man ihm einen Kredit gewährt hatte. Die Bedingungen dafür konnten in Norwegen auch nicht viel anders sein als in Dänemark. Wenn sie daran dachte, wie schwierig es für Jan und sie gewesen war, ein Darlehen für ihre Wohnung zu bekommen, musste es irgendjemanden gegeben haben, der für Jo gebürgt hatte.
    Im Übrigen musste sie daran denken, dass sie seit geraumer Zeit auch keine Angebote mehr von ihrem Makler bekommen hatte. Es war also in jeder Hinsicht an der Zeit, ihm mal wieder einen Besuch abzustatten.

21
    Widerwillig setzte sich Maja auf dem Laufband in Bewegung. Sie hatte versucht, den Immobilienmakler zu erreichen, aber der war ebenso wie die halbe Stadt an der Grippe erkrankt, und da sie keinen Grund sah, sich an seinen Kollegen zu wenden, musste sie sich in Geduld üben, bis er wieder gesund war.
    Auf dem Bildschirm, der vor den Laufbändern an der Wand hing, konnte sie die Nachrichten, allerdings ohne Stig, verfolgen. Einmal mehr fiel ihr auf, dass die Nachrichtensendung ohne ihn nur eine monotone Abfolge dröger Berichte war.
    Sie betrachtete einige unscharfe Schwarzweißbilder, die von der Überwachungskamera einer Tankstelle aufgenommen worden waren. Offenbar zeichnete die Kamera nur alle fünf Sekunden ein neues Bild auf, was die von der Polizei gesuchte Person wie die Figur eines alten Stummfilms aussehen ließ: Charlie Chaplin beim Auftanken eines gestohlenen Mazda 323. Für die Techniker der Polizei war die Bildqualität allerdings vollkommen ausreichend gewesen, um die Person zu identifizieren. Aber erst als Kommissar Blindheim auf der Mattscheibe erschien und von dem Journalisten mit den dünnen Lippen interviewt wurde, begriff Maja, um welchen Mann es sich handelte. Der flüchtige Gefängnisinsasse Rolf Vikse hatte also nur eine Entfernung von etwa 200 Kilometern zurückgelegt, bis er die Statoil-Tankstelle an der Umgehungsstraße erreichte. Die Aufnahmen stammten vom gestrigen Tag, die Polizei wollte also nicht ausschließen, dass er inzwischen in die Stadt
zurückgekehrt war. Um die Fahndung zu intensivieren, war ein Sonderkommando eingerichtet worden. Blindheim bezeichnete den Flüchtigen als äußerst gefährlich und rief die Bevölkerung auf, sich umgehend mit der Polizei in Verbindung zu setzen, falls es sachdienliche Hinweise gebe, die zu Vikses Ergreifung führen konnten.
    Â»Können Sie uns verraten, ob es bereits eine neue Spur in dem Mordfall gibt?«, fragte der Journalist und streckte dem Kommissar das Mikrofon gefährlich nah entgegen. Maja hatte den Eindruck, Blindheim sei schmaler geworden, doch möglicherweise lag das nur am grellen Kameralicht.
    Â»Dazu kann ich keinen Kommentar abgeben.«
    Â»Wurde die Tatwaffe bereits gefunden?«
    Â»Wir suchen noch.«
    Â»Können Sie bestätigen, dass es sich um ein gewöhnliches Freizeitmesser handelt, was die Ermittlungen nicht gerade erleichtern dürfte?«
    Blindheim runzelte die Brauen.
    Â»Dazu … kann ich ebenfalls nichts sagen.«
    Â»Geht das nicht aus dem Obduktionsbericht hervor?«
    Blindheim erstarrte. Maja tat dasselbe und drückte sofort auf die rote Stopptaste des Laufbands.
    Â»Ist es nicht so, Herr Blindheim?«
    Die Handkamera zoomte das Gesicht des Kommissars heran.
    Â»Kein Kommentar.« Blindheim räusperte sich und fuhr fort: »Ich kann nur meine Bitte wiederholen, uns jeden Hinweis, der zur Ergreifung des gesuchten Rolf Vikse führen kann, sofort mitzuteilen.«
    Maja wartete das Ende des Berichts gar nicht ab, sondern sprang sofort vom Laufband und stürmte wutentbrannt in die Umkleidekabine.

    Â 
    Zwanzig Minuten später stand sie, immer noch in ihrer verschwitzten Trainingskleidung, vor Stigs Haustür. Ihren Mercedes hatte sie halb in seinem Vorgarten geparkt. Nun hämmerte sie mit den Fäusten gegen seine Haustür, und es war ihr vollkommen egal, ob er nun mit vierzig Grad Fieber im Bett lag oder nicht. Sie ging ohnehin davon aus, dass seine Krankheitsgeschichte erstunken und erlogen, ja vielmehr Teil seines Plans war, die Informationen zu missbrauchen, die er ihr hinterlistig entlockt hatte. Informationen, die er versprochen, nein, geschworen hatte, für sich zu behalten, und die

Weitere Kostenlose Bücher