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Die Anatomie des Todes

Die Anatomie des Todes

Titel: Die Anatomie des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Schusslinie zu geraten, wären sie gezwungen, sich einzuschalten. Und in diesem Fall würden schon bald die ersten Köpfe rollen. Maja hatte das Gefühl, bereits selbst unter der Guillotine zu liegen. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als auf das zischende Geräusch des Fallbeils zu warten.
    Sie ließ sich nach unten gleiten, bis das Wasser sie ganz
umschlossen hatte. Die Glut der Zigarette erlosch an der Wasseroberfläche, während sie auf den Grund sank. Der feuchte Stumpf, der in den kleinen Wellen schaukelte, war der einzige Beweis ihrer Existenz.
    Â 
    Die aktuelle Ausgabe der Vestposten handelte großteils von der Jagd nach einem mutmaßlichen Mörder. Das körnige Foto von Rolf Vikse nahm die gesamte Titelseite in Anspruch. Oberflächlich betrachtet war es ein alltäglicher Schnappschuss, doch in Wahrheit das Porträt eines Mörders, der sich auf freiem Fuß befand. Auch in der Kantine des Skansen breitete sich das Gefühl einer unterschwelligen Bedrohung aus. Nicht wenige behaupteten, jemanden zu kennen, der Vikse schon begegnet oder mit ihm zur Schule gegangen war, mit ihm gesprochen oder ein Bier getrunken hatte. Das Gefühl, einem gemeinsamen Feind gegenüberzustehen, ließ die Menschen enger zusammenrücken und allem Fremden mit wachsendem Misstrauen begegnen.
    Maja hatte das Gefühl, alle Augen wären auf sie gerichtet, als sie mit einer Ausgabe der Vestposten unter dem Arm und einer Schale Salat in der Hand nach einem freien Tisch suchte. Vielleicht bildete sie sich das alles auch nur ein. Den ganzen Vormittag über hatte es ihr schon davor gegraut, was über die Weitergabe des Obduktionsberichts in der Zeitung stehen würde.
    Der Mord an Eigil Kvam beherrschte immer noch die Schlagzeilen der Vestposten, doch gab es kaum neue Informationen zu dem Fall. Neben dem Foto von der Tankstelle war das Porträt von Rolf Vikse abgedruckt. Darunter ein Bild vom Gebäude in der Losgata 8, auf dem ein Pfeil die Wohnung des Todesopfers markierte. Der Obduktionsbericht wurde mit keinem Wort erwähnt, und es gab auch keine anderen Hinweise, die Maja in irgendeiner Form hätten belasten können.

    Sie kehrte in die Notaufnahme zurück. Nach den ersten hektischen Stunden des Tages, in denen sämtliche Wartezimmer überfüllt gewesen waren, ging nun alles wieder seinen gewohnten Gang. Die Angst vor dem, was in der Zeitung stehen konnte, war zurückgedrängt und wurde außerdem von den Opiumtropfen in Schach gehalten, die sie nach dem Mittagessen eingenommen hatte. Darum hegte sie auch keine bösen Ahnungen, als sie die Nachricht erhielt, sie solle sich umgehend beim Klinikdirektor E. Titland einfinden.
    Â 
    Titlands Sekretärin teilte ihr mit, sie könne gleich hineingehen. Sie sah weitaus freundlicher aus, als es ihre Telefonstimme vermuten ließ.
    Maja klopfte an und öffnete die Tür. Das Büro war überraschend lang, sicher zehn, vielleicht sogar fünfzehn Meter, dafür aber ungewöhnlich schmal und hatte die Form eines Trichters. Am Ende des Raumes saß der Klinikdirektor hinter seinem Palisanderschreibtisch. Maja beschlich ein mulmiges Gefühl, als sie zwei weitere Personen erblickte, die sie sofort erkannte. Beklommen ging sie den drei Männern entgegen. Sie spürte kaum ihre Beine, als hätte die taubenblaue Auslegeware eine lähmende Wirkung auf sie. Als sie die Sitzgruppe zu ihrer Linken passierte, nickte sie Kommissar Blindheim, der in einem der niedrigen Mies-van-der-Rohe-Stühle saß, kurz zu. Der Kommissar blickte auf und gab sein typisches Grunzen von sich, ehe er damit fortfuhr, seine Pfeife auszukratzen. Vor Titlands Schreibtisch standen zwei Stühle. Auf dem einen saß Joseph Linz mit verschränkten Armen, der andere war leer. Der Chefpathologe warf ihr einen kühlen Blick zu. Das rotwangige Gesicht des Klinikdirektors sprach glücklicherweise eine andere Sprache.
    Â»Vielen Dank, dass Sie so schnell kommen konnten, Frau
Dr. Holm. Ich weiß ja, dass Sie schrecklich viel zu tun haben.«
    Sein mächtiger Körper erhob sich aus seinem Bürostuhl und schien den Schreibtisch regelrecht unter sich zu begraben, als er ihr beide Hände entgegenstreckte. Majas Hand verschwand in seinen Fäusten. Sie lächelte zaghaft.
    Â»Setzen Sie sich, setzen Sie sich.«
    Der Klinikdirektor wies auf den freien Stuhl.
    Sie fühlte sich wie die Frau auf dem Gobelin, der die

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