Die andere Haut: Roman (German Edition)
seiner Aprilwetter-Anden-Stadt. Er läuft neben ihr her, schnuppert, sagt „du riechst gut“, und ihr wird noch wärmer. Albernerweise hat sie einen schweren Duft aufgelegt, vollkommen unpassend für einen sonnigen Tag auf dem Fußballfeld.
Fünf gegen fünf spielen sie, Männer und Frauen gemischt, ein Lehrer in der Gegenmannschaft, Ricardo in der ihren. Niemand will ins Tor, also meldet sie sich freiwillig. Sie beobachtet ihn beim Laufen, den Schweiß, der ihm von der Stirn rinnt, seine nassen Haarsträhnen, seine muskulösen Schenkel und das T-shirt, das ihm am Körper klebt. Ihr Team spielt gut, sie führen zwei zu null und Lara hat wenig zu tun. Zwei, drei Mal hält sie einen schwach geschossenen Ball und wird dafür über Gebühr bejubelt. In der Halbzeit fallen sich die Spieler ihrer Mannschaft stolz in die Arme, und ehe Lara sich versieht, spürt sie Ricardos Körper, der sie umschlingt, eine sportliche Umarmung, und doch, ihre Brust an der seinen, seine Arme in ihrem Nacken, ihre Wange an seinem Hals ...
„Ich mag dein Parfüm“, bekräftigt er, dann lässt er sie los. Das Spiel geht weiter, er schießt ein Tor und legt daraufhin eine Pause ein, überlässt den anderen kurz den Sturm und läuft zu ihr. Sie steht einige Meter vor ihrem Tor, er schnuppert, flüstert „Ich mag es sehr“, bis die anderen ihn lachend schimpfen und rufen: „Hey, Ricardo, konzentrier dich auf das Spiel!“
Sie gewinnen schließlich drei zu eins und noch einmal pressen sie ihre Körper aneinander in der Umarmung, Sportler im Siegesrausch. Im Rausch, im Rausch, ihre Gedanken beginnen sich zu drehen …
Auf dem Heimweg lassen sie sich zurückfallen, verlieren die anderen aus den Augen, verlieren und finden einander in Gedanken und reden nicht viel. Etwas zu nah laufen sie nebeneinander her, sodass zufällige Berührungen unvermeidlich sind. Sie streifen einander an den Armen, und weil sie ärmellose Shirts tragen, bedeutet das Haut auf Haut.
Warum tun wir es nicht einfach, denkt sie, nehmen einander in den Arm und küssen uns, reißen die Mauern ein und lassen uns gehen bis in den Morgen hinein, man kann das Spiel auch übertreiben. Zweifel gibt es doch nicht mehr. Oder doch? Stattdessen laufen sie stumm nebeneinander her, bis sie an eine Kreuzung kommen, an der er nach links muss und sie geradeaus.
„Na ja dann … Wir sehen uns morgen“, bricht er das Schweigen. „Ja“, sagt sie.
Jetzt wäre der Moment zu gehen. Oder zu bleiben und etwas zu beginnen, aber sie rühren sich nicht, sehen einander nur an. Still. Sanft ruht sein Blick auf ihr, sie möchte wissen, was er denkt, stehen sie Minuten so da oder Sekunden, sie hat jegliches Zeitgefühl verloren. Wahrscheinlich, dass es nur Augenblicke sind. Schließlich gibt sie sich einen Ruck, umarmt ihn kurz und gibt ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Bis morgen.“
Als er um die Ecke verschwunden ist, beginnt sie zu rennen, bis ihr Herz so sehr klopft, dass sie nicht mehr feststellen kann, wovon, von der Bewegung oder dem Verlangen nach diesem Mann.
Am nächsten Abend findet im Innenhof der Schule ein kleines Konzert statt, eine einheimische Band spielt zum Tanz.
Wenn nicht heute Abend, dann nie mehr, so viel ist klar, eine bessere Gelegenheit als diese Party wird es nicht geben. Also bleibt Lara die ganze Zeit in Ricardos Nähe, ohne direkt mit ihm zu sprechen. Keine neue Masche, die Überdrehtheit einer Verliebten, lachen, tanzen, flirten und immerzu dieser Gedanke: Sieht er sie?
Tatsächlich scheinen ihr seine Augen den ganzen Abend zu folgen, was sie noch lauter werden lässt. Noch ungestümer, noch koketter hüllt sie sich in einen schützenden Mantel aus schillernder Ausgelassenheit und Übermut. Alles, um das Zittern zu verbergen. So vergehen die Stunden, beinahe eifersüchtig überwacht er ihre Bewegungen, seine Blicke brennen sich in ihr Herz.
Bald ist es Mitternacht und sie haben noch kaum ein Wort miteinander gesprochen. Längst kommen die Lieder vom Band, die Musiker haben aufgehört zu spielen und betrinken sich mit Rum an der improvisierten Bar aus hölzernen Schultischen und Stühlen.
Lara tanzt mit Benoît, einem charmanten französischen Sprachschüler, der vorgestern angekommen ist. Er ist ein wenig benebelt vom Alkohol und zieht sie eng an sich, flüstert ihr Komplimente ins Ohr, und sie lacht. Heiser. Affektiert. Über seine Schulter hinweg sucht sie wieder Ricardos Blick und endlich zeigt ihr Verhalten Wirkung. Er kommt auf sie zu
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