Die andere Haut: Roman (German Edition)
ihn, doch schon hört sie wieder die Stimme ihres Verstandes in sich, hämmernd und klar, warte ab, sagt die, das geht so schnell vorüber wie ein Rausch. Ihr seid einander fremd und werdet es bleiben.
Kapitel 7
Nacht und Morgen
E s ist ihre fünfte Nacht in Belmondos Pension. Lara liegt wach im Bett, der Vollmond scheint ihr ins Gesicht, sie ist halb wahnsinnig vor Verlangen und Lust.
Ricardos Finger, die ihr federleicht über den Bauch streichen, eine Handbreit unter dem Nabel, dann die Schenkel entlang, er umstreift sie, berührt sie, berührt sie dann wieder nicht und guckt sie nur an, verteilt kleine Küsse auf ihren Schultern, ihren Augenlidern, bis alles in ihr nach ihm schreit. Sein Gewicht, das warme Flüstern an ihrem Ohr, seine Fremdheit, sein Duft und ihre Sprachlosigkeit. Er ist in ihr, immer noch, nach all den Jahren.
Dann wieder überlagert Davids Gesicht die Szenerie, seine geschlossenen Augen, wenn er träumt, schließlich lächelt und blinzelt im Halbschlaf, weil er Laras Blicke bemerkt. Er hebt den Arm, damit sie unter seine Decke schlüpfen kann, sie spürt die Wärme und irgendwann vertraute Hände, seinen fordernden Körper, ihn, sich selbst, sie beide und das Glück.
Während ihre Sehnsucht nach Ricardo geprägt ist von rauschhafter Fiebrigkeit, fehlt ihr David wie ein Teil ihrer Selbst. Irgendwann verschwimmen beide Männer zu einem gesichtslosen Fremden, dem sie sich ausliefern möchte, ohne Willen, ohne Vorsicht, ohne Schutz. Im Traum sieht sie sich taumeln und tanzen über einem Feuer, und sie kann nicht anders, als die Hitze zu genießen und zu umarmen wie einen Freund. Lara hört den Hahn nicht mehr oder hört ihn anders, als flehendes Rufen, als ohnmächtigen Schrei. Dazwischen das leise Schnarchen von Jan, das so friedlich und rührend wirkt, dass sie weinen möchte und ihn umklammern und fragen, was richtig ist und ob sie hier sein soll oder im Grunde woanders. Ob es überhaupt einen Ort gibt, an den sie gehört oder ob sie ihr Leben lang eine Reisende bleibt. Ob das nicht auf jeden zutrifft und warum dann so viele vom Ankommen träumen.
Jans zerzaustes, kurzes Haar schimmert golden, doch in der Silhouette gleicht sein Oberarm dem Ricardos. Sanft geschwungene Muskeln. Wie er das Kissen umschließt, ein glatter, schöner Männerkörper, nach dem sich irgendwo auf der Welt vielleicht eine andere Frau verzehrt.
Die Nacht malt Bilder in unsere Köpfe. Verlangen und Angst bringen sie zum Tanzen. Lara blickt an die Decke und wartet auf den Morgen.
Bei Sonnenaufgang ist sie wie betäubt von der schlaflosen Nacht. Mechanisch macht sie sich zurecht für die eineinhalb Stunden Fußmarsch, die vor ihr liegen. Eigentlich hatten Jan und sie schon gestern vor, zu dem beliebten Aussichtsplatz zu wandern, doch dann hat sie beide eine Trägheit übermannt und sie vertrödelten den Tag im „Sol y Suerte“ und in einem der Bäder.
Nun ist Lara trotz ihrer Benommenheit froh über die Bewegung. Die Gleichmäßigkeit ihrer Schritte entspannt sie, das klar definierte Ziel und die langsam erwachende Natur. Als ahnte Jan, dass ihr nicht nach sprechen ist, stapft er stumm neben ihr her, schießt ab und zu einen Stein zur Seite und wischt sich ein paar Schweißperlen von der Stirn. Sie haben sich früh auf den Weg gemacht und begegnen unterwegs kaum einem Menschen.
Am Gipfel angekommen, blicken sie hinunter auf den kleinen Ort, der ihnen im Nebel wie eine Geisterstadt zu Füßen liegt, von grünen Hügeln umschlossen. Jan reicht Lara ein Stück von dem Zuckerrohr, das er gestern gekauft hat. Sie kaut und saugt langsam die Süße heraus. Es macht sie wacher, aber nur ein wenig. Süßes Leben. Hier und jetzt.
Auch hier oben sind sie fast allein. Das kleine Touristencafé und der Kiosk sind noch geschlossen. Drei ältere, englische Ladys sitzen etwas abseits auf einer Bank, teilen sich Tee aus einer Thermoskanne und fotografieren Blumen und Steine. Als sie Jan und Lara bemerken, bitten sie sie, ein Gruppenbild zu schießen. Mit rührender Sorgfalt dirigiert Jan das Trio, bis jede der Freundinnen ihre Schokoladenseite zur Kamera gedreht hat und sich perfekt ins Panorama einfügt, wie er ihnen glaubhaft versichert. Die Damen sind sichtlich geschmeichelt von der Aufmerksamkeit des jungen Mannes, beglückwünschen Lara kichernd zu ihrem guten Fang und wünschen beiden noch eine angenehme Reise. Nicht, ohne sie vorher reichlich mit Scones und Papayaschnitzen versorgt zu haben.
Lara und Jan gehen ein wenig
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