Die andere Haut: Roman (German Edition)
und packt sie am Arm.
„Pardon“, wendet er sich an Benoît, und es klingt nicht entschuldigend, sondern feststellend: „Dieser Tanz gehört mir.“
Er fasst sie hart an, drängt sie an sich, seine Augen funkeln wild und böse, und doch presst er bemüht höflich hervor: „Warum tanzt du mit allen, nur nicht mit mir?“
„Es hat sich nicht ergeben“, mimt sie die Unschuldige, „du warst immerzu beschäftigt.“
Sie wissen beide, dass das gelogen ist, und dennoch: „Du hättest mich ja auffordern können, oder nicht?“ Angestrengt verzieht sie die Augen zu schmalen Schlitzen, legt all ihre zusammengekratzte Arroganz in den Blick und hält tatsächlich dem seinen stand. Mit ihrem Einwand hat sie recht und er gibt sich geschlagen.
„Egal“, beendet er schroff das Thema, lockert jedoch ein wenig seinen Griff. Sanft, aber bestimmt schiebt er sie über die Tanzfläche und lässt sie während der nächsten drei Lieder nicht los.
Sie gehören zu den letzten Gästen. Irgendwo becirct Benoît eine blutjunge Italienerin. In der kleinen Küche werden die Gläser gespült, die Musiker räumen schwankend ihre Instrumente zusammen.
„Kann ich noch mit zu dir kommen?“, will er wissen, doch es klingt kaum wie eine Frage.
„Natürlich.“
Sie verabschieden sich von den anderen Schülern, Lehrern und auswärtigen Gästen. Morgen wird die Gerüchteküche brodeln. Doch so sehr Ricardo sich in den letzten Wochen immer wieder bemüht hat, den Tratschenden kein Futter zu liefern, plötzlich scheint es ihm gleichgültig zu sein. Gemeinsam laufen sie die Straße hinunter, verfolgt von erwartungsvollen Blicken. Nach fünf Minuten nimmt er ihre Hand. Sie hat mit einer Berührung gerechnet, natürlich, und doch erschrickt sie und ihr wird abwechselnd heiß und kalt, nichts anderes kann sie mehr denken als: gleich. Bald. Jetzt. Ist er in ihr. Eine minutenlange Ewigkeit später erreichen sie Laras Apartment, sie findet den Schlüssel nicht, wühlt in ihrer Handtasche, zitternd, ungeduldig, dann klappert er endlich zwischen ihren Fingern und sie schließt auf. Schnell, wir sind da, komm, hier, ein Bett, ein Raum und wir.
Eine Straßenlaterne erhellt das Zimmer, gerade dessen Schäbigkeit und Kargheit ziehen Lara an. Roh und pur, die Kulisse für ihre Lust.
Sie lächelt und dreht sich um zu Ricardo. Endlich berühren sich ihre Münder, fährt er mit der Zunge ihre Lippen entlang, sucht sie, zwei Münder, ein Wissen, ein Mund. Ricardo zittert, aber jede seiner Berührungen fühlt sich richtig an. Gezielt, aber sanft entkleidet er Lara, und sie hält still, trotz ihres inneren Rasens, ihrer Ungeduld. Weil sie nackter sein will als er, erkannt und berührt. Lange bleiben sie stehen und halten einander fest.
Irgendwann fallen sie aufs Bett und sie öffnet seinen Gürtel, seine Hose. Beugt sich über sein steifes Glied, umschließt es mit ihrem Mund, fährt mit der Zunge den Schaft entlang, fordernd, zärtlich, allein.
Spanische Satzfetzen dringen zu ihr durch, seine Sprache vernebelt ihr die Sinne, sein Körper bebt, sie hält inne, ihre Finger in seinem Mund, seine Hand in ihrem Haar, sie küsst seinen Nabel, dann bäumt er sich auf und dreht sie um. Er fasst ihre Handgelenke, sie liegt nackt unter ihm, spürt seinen offenen Gürtel an ihren Lenden, klappernd, die kühle Metallschnalle, sein heißes Gesicht an ihrer Brust, seinen saugenden Mund, seine Kraft.
Mit der einen Hand hält er weiter ihre Hände fest, umkreist mit der anderen ihr Geschlecht, wieder und wieder, fährt mit den Fingern den Hügel entlang, ohne die Lippen zu öffnen, bis sie brennt vor Sehnsucht, sich windet und stöhnt, kurz dringt er mit dem Finger in sie ein, zu kurz, er macht sie rasend.
„Ich will dich“, flüstert sie. Und: „Bitte.“ Und: „Jetzt.“ Sie entwindet sich seinen Armen, greift in die Nachttischschublade und reicht ihm ein Kondom. Dann endlich spürt sie ihn in sich. Seine Sanftheit bringt sie um, sie verlangt nach mehr, bis er keine Rücksicht mehr nimmt, seine Nägel sich in ihr Fleisch graben, grob und wild, und sie aufhört zu denken. In dem Moment, in dem sich in die Lust die Liebe mischt und das Vergessen, steht die Zeit still, Körper und Seele sind eins. Dabei muss die Liebe keinen Bestand haben über die Zeit des Aktes hinaus. Ist Unendlichkeit ein Maßstab? Für Intensität und Glück? Wer weiß, vielleicht.
Wie ist es jetzt? Lara sieht Ricardo an, wie er erschöpft auf dem zerwühlten Laken liegt, und sie liebt
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