Die andere Haut: Roman (German Edition)
sie loszulassen.
„Was meinst du?“
„Du bist ein Schmetterling. Ich weiß nicht, was du willst.“ „Und du?“ Sie löst sich aus der Umarmung. Ihr Herz klopft heftig, aus lauter Angst vor seiner Antwort. Eilig kommt sie ihm zuvor, lacht und schlägt vor, ihre kleine „aventura“, ihr Affärchen, doch einfach noch ein wenig zu genießen.
Er seufzt. „Siehst du, das meine ich.“
„Was?“
„Nenn es nicht so.“
„Wie denn dann?“
Statt einer Antwort sieht er sie nur lange an. Mit Hoffnung im Blick oder Resignation? Beides macht ihr Angst. Schließlich küsst er sie auf den Mund. „Okay. Genießen wir es.“
Kapitel 9
Wiedersehen
Malin und Linda sind begeistert von der Aussicht auf eine Party und hängen sich sofort ans Telefon. Zwei Milchkaffee später setzen sie Lara und Jan vor die Tür.„Wir schließen jetzt, es gibt ja noch einiges vorzubereiten. Wann wollt ihr kommen, so gegen acht?“ Die beiden nicken und bedanken sich für die Spontanität.
Als sie schließlich kurz nach Einbruch der Dunkelheit ankommen, beleuchten bunte Lichterketten das Lokal. An den Wänden kleben Blumen aus Papier und aus den Boxen der kleinen Stereoanlage dröhnen Salsaklänge, zu denen die ersten Gäste die Hüften schwingen.
Sie erblicken ein herrliches Büffet. Linda tanzt lächelnd auf sie zu, drückt ihnen Sektgläser in die Hand und Jan einen Kuss auf den Mund. Sie sagt etwas auf Schwedisch, Glückwünsche, nimmt Lara an. Jan nimmt einen tiefen Schluck Sekt, ohne dabei die Augen von Linda zu wenden und nach ein paar Sekunden wird Lara klar, dass er am Ziel zu sein scheint. Sie lächelt und lässt die beiden allein. Der Raum füllt sich, und weil es ein warmer Abend ist, wird auch draußen vor der Tür gefeiert. Viele der Gäste kennt Lara seit ein paar Tagen flüchtig vom Sehen, Europäer, Australier, Nordamerikaner und Einheimische.
Eine träge Schwüle liegt in der Luft, während der Sekt ihr das Blut in den Schoß treibt und ihre Gedanken flirren lässt. Sie tritt vor das Lokal, lehnt sich an die Hauswand und schließt für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnet, hat sich ein kräftiger junger Mann vor ihr aufgebaut, der eine Sektflasche bei sich hat, ihr das leere Glas aus der Hand nimmt und es wieder füllt. „Thank you“, sagt Lara, als er es ihr reicht, und seine Finger berühren ein paar Sekundenbruchteile zu lang die ihren. Das alte Spiel. Es ist ihr nicht unangenehm, doch sie verspürt kein Verlangen nach dem Fremden, obwohl er hübsche, karamellfarbene Augen hat, einen charmant geschwungenen Mund und sympathische Grübchen. Ihrem Begehren fehlt das Objekt. Sie ist wie elektrisiert, bereit, sich verführen zu lassen und doch verschlossen, ein Zustand, der sie innerlich fast zerspringen lässt.
Ihr Kavalier beginnt mit dem üblichen Frage-AntwortSpiel der Reisenden, wer bist du, woher kommst du, ich bin Tom aus New Jersey, nice to meet you, good party, isn’t it? Sie antwortet mechanisch, genießt sogar ein wenig sein augenscheinliches Interesse, doch ihre Sehnsucht bleibt ungestillt. Manchmal, wenn auch selten, erhört einen in solchen Momenten das Schicksal oder spielt einem hinterlistige Streiche. Heute Abend fällt beides zusammen, denn kurz darauf wird sie beinahe ohnmächtig vor Schreck. Über Toms Schulter hinweg sieht sie Malin einen schwarzhaarigen Mann umarmen, sieht den langen, zärtlichen Kuss der beiden, seine braune Hand in ihrem hellen Haar, auf ihrer Hüfte, ihrem Po … Wenige Meter von ihr entfernt steht Ricardo.
Tom registriert ihr schockiertes Gesicht und fragt sie, was los sei.
„Ich glaube, ich kenne da jemanden“, stammelt Lara und klammert sich an ihr Glas.
Hand in Hand kommt das Paar auf sie zu, gleich sterbe ich, denkt sie, alles dreht sich, ist es ein Traum, schnappe ich über, aber dann sind sie bei ihr, und Malin stellt ihn vor.
„Das ist Ricardo, mein Verlobter aus der Hauptstadt“, sagt sie auf Spanisch und Lara hofft, sie meint lediglich „fester Freund“, ist schließlich dasselbe Wort, „novio“. Doch im Grunde – was änderte das schon.
„Hallo“, presst sie hervor und bringt weiter keinen Ton heraus. Also erklärt Ricardo seiner Freundin, dass und woher sie sich kennen, Jahre sei das her, und Malin quiekt: „Was für ein Zufall, wie schön!“
Kurz möchte Lara einem spontanen Impuls folgen und Tom an sich ziehen, aber das wäre lächerlich, und so fällt sie in Malins mädchenhafte Begeisterung ein: „Tatsächlich,
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