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Die andere Haut: Roman (German Edition)

Die andere Haut: Roman (German Edition)

Titel: Die andere Haut: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Schnitzer
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Wahnsinn, das gibt es doch nicht!“
„Wie geht es dir?“ fragt Ricardo und seine tiefdunklen Augen bleiben unergründlich.
Sie will ihn anfassen und küssen, seine samtige Haut, seine Wangen, seinen Hals. Er trägt Jeans und ein weißes T-Shirt, das über seiner Brust spannt, offenbar hat er viel trainiert in den letzten Jahren. In seinem Gesicht, seinen Gesten, seiner Haltung sucht sie nach Hinweisen, was dieses Treffen in ihm auslöst. Ob es etwas auslöst. Ob sein Herz schneller klopft, ob ihm heiß wird wie ihr, ob er genervt ist von dieser unverhofften Belästigung, was auch immer. Doch es ist wie früher, in der Öffentlichkeit trägt er eine Maske, ist freundlich, distanziert, nicht zu durchschauen. Ein dunkler See.
„Mir geht es gut, danke“, antwortet sie. Eine Weile stolpern sie unbeholfen und bemüht durchs Gespräch, das sich nur dank Malin schließlich doch zu einem angenehmen Plätschern entwickelt. Dann springen zwei kichernde Frauen auf ihre Gruppe zu und ziehen die Schwedin beiseite: „Wir müssen dir unbedingt was erzählen!“ Ricardo steht da, starrt auf seine Füße, offenbar unschlüssig, ob er bleiben oder ihnen folgen soll.
„Unterhaltet euch ein bisschen, ich bin gleich wieder da“, nimmt Malin ihm die Entscheidung ab und verschwindet mit ihren Freundinnen im Inneren des Lokals. Sie ahnt überhaupt nichts, denkt Lara, oder ahnt es gerade und demonstriert mit ihrer Unbekümmertheit ihre Überlegenheit. Stotternd versucht sie sich im Smalltalk, erfährt, dass Malin seine Schülerin war, wie hätte es anders sein können. Die Hauptstadt liegt gut drei Busstunden entfernt von hier und nahezu jeder, der mit dem Flugzeug ins Land kommt, landet erst einmal dort. Seine Schule wird in den meisten Reiseführern empfohlen, alles fügt sich zu einem Ganzen, dieser Zufall setzt sich zusammen aus vielen kleinen Puzzleteilen, und doch … Sie kann es nicht fassen!
Tom sieht etwas verloren aus. Er spricht kaum Spanisch und sie kümmern sich wenig um ihn. Schließlich lässt er sie allein, und in Laras Erleichterung mischt sich der Hauch eines schlechten Gewissens.
Ricardo geht noch einen winzigen Schritt auf sie zu, sodass sie nur den Unterarm ausstrecken müsste, um ihn zu berühren.
„Seit wann bist du hier?“ fragt er.
„In der Stadt? Seit ein paar Tagen“, antwortet sie.
„Hättest du dich bei mir gemeldet?“
„Ich glaube schon.“
„Du glaubst?“
„Ich hatte Angst.“
„Wovor?“
Sie zuckt mit den Schultern und lächelt schief. „Weiß nicht.“
Davor, dass genau das passiert, denkt sie. Dass ich vor dir stehe und keinen klaren Gedanken fassen kann. Vor Liebe, vor Gier, vor was auch immer. Drück mich an die Wand, küss mich, dein Bein zwischen meinen Beinen, sei grob, nimm mich, halt mich, jetzt.
„Ist so viel passiert“, fügt sie hinzu und er nickt. Dann platzt sie heraus, als stürze sie sich damit auf einen Rettungsanker: „Ich heirate im September.“
„Das freut mich“, sagt er leise und sie sucht in seinen Augen nach einem Hinweis, der ihr sagt, dass er lügt. Fast glaubt sie, ein Blitzen zu erkennen, ein kaum merkliches, eifersüchtiges Funkeln. Sag mir, dass ich zu dir gehöre, dass du mich liebst, begehrst, mich willst.
Natürlich würde sie ein solches Geständnis in Wahrheit überfordern, ja schockieren, doch in ihrer Fantasie treibt sie es auf die Spitze, entführ mich, sperr mich ein, benutze mich, alles.
    Dann kommt Malin mit drei Gläsern Caipirinha zurück: „Auf euer Wiedersehen!“ Sie lächelt.
„Ich sollte besser erst mal Wasser trinken“, murmelt Lara, aber die Blonde unterbricht sie fröhlich: „Danach!“ sagt sie. Und: „Keine Angst, die sind nicht stark.“
Vielleicht hat Malin Recht. Vielleicht sollte Lara sich betrinken, betäuben, ihr Beben ersticken mit derselben Droge, die ihr Blut erst zum Kochen gebracht hat, noch bevor Ricardo kam.
Sie denkt an David und wird ein bisschen sentimental. Stellt sich vor, wie sie neben ihm liegt, den Kopf auf seine Schulter gebettet, friedlich, warm, erfüllt.
„Lara heiratet bald“, erzählt Ricardo Malin, die daraufhin strahlt. „Dann haben wir ja noch etwas zu feiern.“
Sie stoßen an und Lara nimmt eine affektierte Pose ein, für die sie sich hasst. Ein tiefer Schluck des Limetten-Cocktails entspannt sie etwas, dennoch entscheidet sie sich zur Flucht. „Ich sehe mal nach Jan“, sagt sie.
„Der ist beschäftigt.“ Malin grinst. Natürlich, denkt Lara, er knutscht oder schläft mit Linda. „Dann

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