Die andere Haut: Roman (German Edition)
…“
„Ganz gruselig: Es wird immer der Körperteil taub, den der andere anfasst.“
„Also, gelähmt, quasi.“
„Sobald sie sich trennen, können sie sich wieder vollständig bewegen.“
„Sie versuchen trotzdem, es zu schaffen, also, diese Liebe zu leben.“
„Aber stell dir vor – jeder Kuss betäubt ihren Mund!“
„Von Sex ganz zu schweigen.“
„Wenn sie miteinander schlafen, also so ein Fick mit dem ganzen Körper, mit Liebe und so, dann muss sie danach jemand gewaltsam trennen.“
„Wenn es überhaupt so weit kommen kann.“
„Kommt es nicht? Keine Ahnung. Ein bisschen müssen wir noch dran rumbasteln, bis alles passt.“
„Wie findest du’s, Lara?“
Sie nickt. „Klingt spannend! Ein bisschen wie ,Pushing Daisies’, kennt ihr das? So eine Serie.“
„Oh nein, sag nicht, jemand hatte schon mal unsere Idee!“ Sanne verzieht enttäuscht das Gesicht.
„Keine Sorge, nicht ganz“, beruhigt Lara.
„Es gibt keine neuen Ideen“, glaubt Jens.
„Jedenfalls tragisch, so oder so. Na ja, ihr könntet es natürlich auch lustig aufziehen. Richtig schön absurd und schräg. Was soll daraus werden, ein Kurzfilm?“, fragt Lara.
„Mal gucken.“ Sanne seufzt. „Momentan läuft’s irgendwie auf was Längeres hinaus, aber das bekommen wir ja nie finanziert!“
„Quatscht ihr schon wieder über Sex?“ Marcel stößt zu ihnen, blickt sich um nach einem freien Stuhl, schnappt einen in der Nähe und stellt ihn mit an den Tisch, direkt neben Lara.
„Momentan über Geld“, klärt sie ihn auf und lächelt. Es ist das erste Mal seit ihrer Rückkehr, dass sie ihn wiedersieht. Hat sie ihn vermisst? Nein. Dennoch ist es schön, ihn zu sehen. Er drückt ihr einen Kuss auf den Mund, und sie lässt es geschehen.
Gemeinsam vertrödeln sie den Nachmittag, spinnen Sannes und Miros Geschichte weiter, bis es Abend wird und sie den Ort wechseln müssen.
Die winzige „L-Bar“ ist wie immer so vollgestopft, dass jeder früher oder später gegen jemanden geschoben wird, mit dem er in der Regel den Rest des Abends verbringt. Jetzt in der Gruppe sind diesbezüglich wenige Überraschungen zu erwarten. Lara lässt sich bereitwillig gegen Marcel schieben, der ihr prompt zwischen die Beine greift. „Du hast mir gefehlt!“
Sie küsst ihn, er schmeckt nach Tabak und Bier. „Du mir nicht“, verrät sie und grinst, woraufhin er ihr in den Oberschenkel kneift, lacht und zischt: „Warte nur, dir betäub ich den Mund und dann gleich noch was anderes.“
Lara kichert. „Wusstest du schon von dem Drehbuch?“
„Sanne und Miro reden seit Wochen von nichts anderem mehr.“
„Vielleicht bleiben sie diesmal wirklich dran.“
„Glaubst du doch selbst nicht. Auch wenn die Idee gar nicht mal schlecht ist. Oder?“
„Ja, finde schon.“
Seine Küsse sind vertraut und routiniert. Alles fügt sich wieder, denkt sie. Ich komme zurück, und es ist gut so, wie es ist. Gemeinsam mit Marcel verlässt sie die Bar, begleitet ihn in seine Wohnung und schläft mit ihm. Der Akt ist kurz, zärtlichgrob und geprägt von einer entspannten Selbstverständlichkeit, die sie ein wenig zur Ruhe kommen lässt. Sie dreht sich zur Seite und schläft augenblicklich ein.
Kurz vor dem Morgengrauen erwacht sie, zieht sich an, verlässt die Wohnung und schendert schlaftrunken nach Hause. Sie übernachtet am liebsten im eigenen Bett.
Im Briefkasten findet sie einen dicken Umschlag mit Luftpost-Aufdruck. Ricardo. Augenblicklich ist sie wieder hellwach, reißt den Brief auf und beginnt noch im Treppenhaus zu lesen. Seitenlang erzählt er ihr, was seit ihrer Abreise in der Schule passiert ist. Wie ihn alle aufziehen und nach seiner deutschen Freundin fragen, und dass er nicht wisse, was er antworten solle. Dass er sie vermisse und an sie denke und dass er wünschte, sie käme, so schnell es geht, zu ihm zurück.
Wieder und wieder liest sie seine Zeilen und kann es nicht glauben. Sollte sie sich getäuscht haben? Sollte es eine Zukunft geben, würde es sich lohnen, dafür zu kämpfen? Und herrje, was heißt das – kämpfen? Was will sie? Ihr Herz klopft wie verrückt. Sie sinkt in ihre Kissen und schließt die Augen. Zwischen ihren Beinen spürt sie es noch pochen, einen dumpfen, sanften Druck, die Überreste der vergangenen Nacht. Ricardo. Marcel. Vielleicht ist es einerlei, wen sie liebt, mit wem sie schläft. Alles Puzzleteile ihrer Seele.
Kapitel 13
Am Wasser
E s ist kein allzu hübscher Ort, in dem sie gelandet ist, aber er liegt am Meer, und der
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