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Die Anfänge meiner Welt

Die Anfänge meiner Welt

Titel: Die Anfänge meiner Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Sage
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Gefühl haben, das ganze Leben liege noch vor ihm. Und da war Valma,
schlank, hübsch, in allem noch am Anfang. Und neben ihr Marj, etwas älter und
auch wissender, hungrig nach Aufmerksamkeit, ein Mädchen, das eine Vaterfigur
förmlich einforderte. Dem Tagebuch zufolge war Marj die treibende Kraft. Am 21.
April fuhren Valma und Hilda nach Chester, und Marj nutzte ihre Abwesenheit, um
sich in Szene zu setzen: »Marj hat den ganzen Tag Unruhe im Haus verbreitet...
Ich weiß nicht, was ich von ihr halten soll.« Aber er wußte es sehr wohl, denn
er fügt melodramatisch hinzu: »Muß nach diesem Eintrag meine Schrift ändern.«
Dieser Entschluß entbehrt ein wenig der Logik. Wäre es ihm wirklich um
Geheimhaltung zu tun gewesen, hätte er rückwärts geschrieben oder verschlüsselt
oder mit unsichtbarer Tinte. Doch es geht um die Geste — er ist eben stets
Schauspieler, mein Großvater, sogar wenn er mit sich selbst spricht. Seine
Handschrift bleibt, wie sie ist.
    Er war noch dabei, sich aus der
Beziehung mit MB zu lösen, und hatte wohl vorerst noch keine neuen Missetaten
zu berichten. Oberflächlich betrachtet begann er ein neues neues Leben.
Er stürzte sich in die Gartenarbeit, mähte den Rasen und walzte ihn, bis er
wieder eben genug zum Bowlsspielen war. Seit Molly weg war, machte er auch die
Hausarbeit: Am 11. Mai »habe ich Flur und Küche geschrubbt«, und eine Woche
später »das Arbeitszimmer und alle Zimmer unten saubergemacht«, während Val und
Marj vergnügt nach Ellesmere radelten. (Hilda beteiligte sich nicht an diesen
niederen Arbeiten; sie hatte nur noch das Kino im Sinn.) Trotz der Plackerei
macht er auch Phasen tödlicher Langeweile durch — »Vom Nichtstun erschöpft zu
Bett«, lautet ein Eintrag Anfang Juni. Bis zu dem sinnlosen Herumwerkeln von
früher scheint es nur ein kleiner Schritt.
    Er registriert Vals und Marjs
Kommen und Gehen wie ein verdrießlicher Voyeur und schafft es kaum jemals, sie
auf ihren Radtouren zu begleiten. Er wäre Marj wohl nie nähergekommen, hätte
ihm nicht eine boshafte Vorsehung einen Kuppler beschert, in Gestalt des
Hilfsgeistlichen, um den er seit Monaten nachgesucht hatte. Der junge Mann,
Percy Davies mit Namen, traf im Juni ein. Anfangs war Grandpa mürrisch und
mißtrauisch — »ein schrecklicher Snob, finde ich. Ein normaler Mensch wäre mir
lieber gewesen...«. Doch sein Ton änderte sich fast schlagartig, denn Percy
Davies (oder PSD) war ein zuvorkommender, umgänglicher junger Mann, und was das
Beste war: Er hatte ein Motorrad. Zwei Tage nach seiner Ankunft fährt Grandpa
auf dem Sozius mit, und das Leben kommt wieder in Schwung. PSD ist gerade erst
ordiniert worden, aber er versteht es, die Gemeinde in seinen Bann zu ziehen,
und entschädigt Grandpa für die lange Wartezeit. Ein seltenes Lob wird ihm
zuteil: »Der Kurat ist jetzt seit einer Woche hier, und die Woche ist recht
schnell vergangen.« Bald gehört er praktisch zur Familie — wie Marj und wie
Grandmas mollige jüngere Schwester mit dem melodischen Lachen, die reizende
Katie.
    Diese Familie aber ist in ihrem
Bestand gefährdet, brüchig und führerlos, denn niemand will die Elternrolle
spielen. Der Part der Ehefrau und Mutter erfüllte Grandma mit Abscheu, schon
bevor Grandpa sie durch sein Verhältnis mit dieser gewöhnlichen
Krankenschwester darin bestätigte. Grandpa gibt sich alle Mühe, den Schein zu
wahren (könnte man meinen), indem er die Küche schrubbt und im Salon abstaubt —
was freilich in den dreißiger Jahren schockierend unkonventionell war, alles
andere als männlich oder schicklich. Keiner im Pfarrhaus rechnet sich in jenem
Sommer 1934 zur älteren Generation; es ist eine Großfamilie, in der niemand
darauf achtet, daß Sitte und Anstand gewahrt bleiben. Das alte Haus ist wie
eine Zentrifuge, die ihre Bewohner in alle Himmelsrichtungen schleudert, in
ständig wechselnden Kombinationen, nach Wrexham, Chester, Shrewsbury, Llangollen.
    Es ist die Zeit der Gartenfeste
und der Fahrten ans Meer: Die Glöckner, die Sonntagsschule, der Kirchenchor,
die Frauenvereinigung — alle machen ihre Ausflüge nach Rhyl oder New Brighton.
Am letzten Tag im Juli steigt der ganze Pfarrhausclan mit dem Chor von Tallarn
Green in den Bus nach Rhyl: »Wir sind eine richtige kleine Gesellschaft — ego, Val, Katie, Hilda, Billy, Marj und PSD« (sogar Hilda schließt sich einer
»Gesellschaft« an). Man vergnügt sich auf dem Jahrmarkt. Als sich im August
Grandpas Amtsantritt in Hanmer jährt,

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