Die Anfänge meiner Welt
boten Slacks an, Schottenhosen, Torero-, Capri-, Keil-
und Kniehosen, in leuchtenden Bonbonfarben, mit Karos, Streifen oder Tupfen. Mädchen,
so wurde uns eingetrichtert, trugen Hosen nur spaßeshalber, um mädchenhafter zu
wirken als je zuvor. Mädchenhosen waren eng und niedlich, aus elastischem
Stoff, mit Abnähern und hoher Taille, um die weiblichen Kurven zu betonen. Es
gab auch Jeans, aber sie waren genauso geschnitten und kunstvoll mit
Aufschlägen und Ziernieten versehen, so daß man darin wie ein Cowgirl in einem
Musical aussah. Und der Hauptunterschied: Mädchenhosen hatten den Reißverschluß
oder die Knöpfe an der Seite, es gab nichts, was auch nur im entferntesten mit
einem Hosenstall verwechselt werden konnte; jede Anleihe beim anderen
Geschlecht, alles Weite, Schlabbrige oder irgendwie Zweideutige war verpönt. Im
Rock fiel man als Mädchen weniger auf.
Neutrales war Jungen und Männern
vorbehalten, und Tätigkeiten wie das Kühehüten eigentlich auch. Mr. Watson
machte für mich eine Ausnahme, aber auf anderen Höfen, auf denen ich mich
herumtrieb, wurde diese Arbeitsteilung strikt eingehalten. Auf dem Hunt-Hof,
ein Stück die Straße hinunter, war Terry, ein stämmiger Junge, etwas jünger als
ich, für meine Lieblingsbeschäftigung zuständig. Mr. Hunt bereitete seinen Sohn
mit Flüchen und Ohrfeigen auf seine spätere Rolle vor und ignorierte mich
völlig — zum Teil aus Verachtung, aber auch weil es in Hanmer einem
ungeschriebenen Gesetz zufolge verboten war, anderer Leute Kinder zu schlagen
(außer in der Schule). Und Gewalt war seine bevorzugte Sprache. Als Terry
einmal versehentlich eine Schubkarre voll Mist umstieß, packte ihn sein starker
junger Vater und warf ihn mit dem Kopf voran in den Misthaufen, und wir mußten
den vor Schreck und Scham zitternden Terry in dem alten Pferdetrog säubern.
Er war sehr ungeschickt und
sehr schüchtern, er stotterte furchtbar, und bei seinem rotgesichtigen, ewig wütenden
Vater saßen die Fäuste locker. Der Hunt-Hof war größer und moderner als der
Watson-Hof, es gab dort Melkmaschinen und einen hallenden Kuhstall mit
Zementboden, den man mit dem Schlauch abspritzen konnte, aber es herrschten
barbarische Sitten. Manchmal hörten wir Mrs. Hunt von der Küche her schreien,
und wenn wir durchs Fenster spähten, sahen wir, wie Mr. Hunt sie, die Hand in
ihr Haar gekrallt, auf den Küchentisch preßte. Dann schlichen wir davon, Terry
und ich, und wußten nicht, was wir gesehen hatten — Sex oder nur Gewalt, und
gab es da überhaupt einen Unterschied? — , und liebkosten einander im Heu,
zaghaft, flüsternd und verwirrt. Auf einem Hof, wo es so chaotisch und brutal
zuging, konnte von Geborgenheit keine Rede sein. Zu Hause wurde ich wenigstens
vors Kriegsgericht gestellt, ehe es Prügel setzte.
War Hanmer durch seine
abgeschiedene Lage ein Nährboden für Grausamkeit, gehörte Grausamkeit zur
altehrwürdigen Ordnung der Dinge? Vielleicht waren Männer wie Mr. Hunt deshalb
so blindwütige Tyrannen, weil sie spürten, daß sich die Welt ringsum
veränderte. Mr. Hunt war nicht der einzige Unmensch. Nach aufgeplatzten Lippen,
Veilchen, Striemen und blauen Flecken brauchte man nicht weit zu suchen.
Entweder waren Frauen und Kinder in Hanmer besonders verletzungsanfällig, oder
Gewalttätigkeit gehörte hier einfach zum Alltag. Man lernte, nicht viel darauf
zu geben. Viele Frauen waren in der gleichen Lage wie Mrs. Hunt, meine Tante
Binnie zum Beispiel, die Schwester meines Vaters, was wir allerdings erst Jahre
später erfuhren — oder besser gesagt zur Kenntnis nahmen. Selbst wenn man das
Leben auf dem Lande durch die rosa Brille sah, passierten doch Dinge, die einen
ins Grübeln brachten.
Jede Woche kam Mrs. Parker bei
uns vorbei, um für das Versandhaus mit den bunten Bekleidungskatalogen unsere
Raten zu kassieren. Sie sah oft ziemlich mitgenommen aus. Sie und ihr Mann
hatten ein halbes Dutzend Kinder, von denen zwei angeblich von George Fitch
waren, einem untersetzten, brutalen Burschen, der mit seiner verschüchterten
Frau und einem eigenen Stall voller Kinder nebenan wohnte. Die beiden
Parker-Kinder hatten sein verräterisch rotes Haar geerbt, nicht das mausgraue
ihres gesetzlichen Vaters. Dergleichen war in der Gegend nicht ungewöhnlich,
schon gar nicht bei Leuten, die wie die Parkers in einer abseits gelegenen
Siedlung wohnten. Mrs. Parker selbst, eine hübsche, kräftige, ruhige Frau, war
aber durchaus ungewöhnlich: Sie hatte die Vertretung des
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