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Die Anfänge meiner Welt

Die Anfänge meiner Welt

Titel: Die Anfänge meiner Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Sage
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ihr Lächeln war immer lieb und ungekünstelt, und ihre Fesseln waren
dick; Kirk biß unfehlbar die Zähne zusammen, und das Grübchen in seinem Kinn
war so unwahrscheinlich wie das von Popeye. Die Stars paßten hervorragend zu
den Gestalten aus meinen Lieblingsbüchern. Ich fühlte mich in eine andere Welt
versetzt, wenn wir uns einen Film ansahen, meine Eltern und der gelangweilte
Clive entschwanden ins stickige Dunkel und machten sich nur noch durch das
Rascheln der Bonbonpapierchen bemerkbar.
    Wenn der Film aus war, ging ich
extra langsam, um noch mit den gerahmten Fotos der Stars im Foyer Zwiesprache
zu halten und die Rückkehr in die graue Wirklichkeit hinauszuzögern. Ich warf
verstohlene Blicke in die Spiegel, suchte einen Widerschein ihrer traumhaften,
geschminkten Vollkommenheit in meinem Gesicht und entdeckte für einen kurzen
Augenblick einen Hauch von Glamour in den schweren Lidern meiner
Schlaflosigkeit. Alle Odeons, Gaumonts und Majesties hatten damals Fluchten
teppichbelegter Flure und Foyers, die als Schleusen oder Warteräume fungierten,
Vorzimmer der Phantasie. Wenn wir an der Schlange für die nächste Vorstellung
vorbeikamen, hielt ich mich etwas abseits von meinen Eltern und Clive und
stellte mir vor, die Augen der Leute würden auf meinem Gesicht ruhen.
Vielleicht merkten sie ja, daß ich nicht zu den dreien gehörte, daß ich mich
insgeheim in weit glanzvollerer Gesellschaft bewegte.
    Doch auf der Heimfahrt von
Wrexham oder Shrewsbury hatte ich regelmäßig Kopfschmerzen, und mir war
schlecht von der stickigen Luft und der Aufregung im Kino und dem Fisch mit
Pommes danach. Manchmal hielten wir auf einem Rastplatz an, damit ich mich
übergeben konnte, meistens aber schluckte ich die aufsteigende Galle hinunter,
verfiel in ein erschöpftes Dösen und spulte den Film mit dem Motorengeräusch
als Soundtrack auf der Innenseite meiner Lider noch einmal ab. Doch es war
schwer, die Illusion aufrechtzuerhalten. Unsere Autos waren laut, die
Auspuffanlage hatte sich durch die Schlaglöcher auf Straßen und Bauernhöfen
gelockert, der Motor stotterte und klopfte. Autos kamen auf der
Prioritätenliste des Geschäfts gleich nach den Lastwagen, und mein Vater
bosselte ständig an ihnen herum. Oft mußte der Wagen unterwegs repariert
werden, und für solche alltäglichen Pannen hatte er eigens einen
ölverschmierten Overall im Kofferraum. Wollte der Motor schon zu Hause nicht
anspringen, stiegen wir in unseren guten Sachen ins Führerhaus eines Lasters,
wo Clive und ich, zwischen meinen Eltern eingezwängt, auf dem Getriebekasten
saßen. So brachten uns diese Ausflüge zusammen. Selbst im Auto (außer wenn
Grandma mitkam, was hin und wieder der Fall war; allerdings hätte sie sich um
nichts in der Welt herbeigelassen, in einem Lastwagen mitzufahren) kamen wir
uns vor wie ein Familienbetrieb, eine familiäre Gesellig schaft mit
beschränkter Haftung. Der Wagen war einer von uns, er trug dazu bei, uns zur
Muster-Kernfamilie der fünfziger Jahre zusammenzuschweißen: Vater, Mutter und
zwei Komma soundsoviel Kinder auf der Landstraße des Lebens, sozial mobil, ein
Privatunternehmen.
    Clive und ich hatten uns
anständig zu benehmen. Die Eltern bestimmten, wir fuhren nur mit. Aber es war
eine unsichere Sache. Als wir einmal an einem Wintersamstag im Dunkeln von
Wrexham zurückfuhren, sagte meine Mutter verträumt, wie es ihre Art war, was
für ein hübsches Muster die Scheinwerfer auf den vorübergleitenden Hecken
machten. Mein Vater hatte gerade zu einer nachsichtigen Erwiderung angesetzt
(wie ähnlich ihr das sehe, immer in Gedanken weit weg), als er plötzlich
stutzte und scharf bremste. Der Motor brannte. Wir stiegen hastig aus und
standen zitternd am Straßenrand, während mein Vater die Motorhaube öffnete und
sie, als Flammen herausschlugen, schnell wieder schloß. Er setzte sich in Trab,
zu einer Tankstelle, die eine Meile entfernt war, und wir anderen standen im
Feuerschein und schauten zu, wie das Auto brannte. Erst als ein anderer
Autofahrer anhielt und uns wegscheuchte, wurde uns klar, in welcher Gefahr wir
schwebten. Es war eine ernstere Panne als sonst: Der Wagen konnte jeden Moment
explodieren. Doch dann kam mein Vater mit dem Abschleppwagen der Tankstelle und
einem Feuerlöscher wieder, und schließlich wurden wir nach Hause gefahren.
Unser Standard Vanguard blieb schaumbedeckt an der Tankstelle zurück.
    Danach benutzten wir den
Lastwagen, bis mein Vater einen neuen Gebrauchtwagen kaufte, den

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