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Die Anfänge meiner Welt

Die Anfänge meiner Welt

Titel: Die Anfänge meiner Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorna Sage
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ersten Berührung in einer roten Staubwolke zusammen — und
ein wenig Do-it-yourself-Tapezieren würden genügen. Der Gedanke an die
Hausarbeit schreckte meine Mutter nicht, denn sie wußte sofort, daß sie weniger
zu tun haben würde; ein so großes Haus konnte man ohnehin nicht sauberhalten.
Der Schmutz darin war Pfarrhausschmutz, den zu beseitigen niemand von ihr
verlangen konnte. Zum Schmutz gesellten sich jahrelang eingelagerte Sachen aus
dem Pfarrhaus. Vieles davon blieb allerdings in den Teekisten, die im
Billardzimmer gestapelt wurden, wo Clive und sein neuer Freund Jeff aus der
Sozialsiedlung sie mit einer Spielzeugkanone, deren Schußweite sie mit
selbstgemachtem Schießpulver um ein Vielfaches gesteigert hatten, beharrlich
beschossen.
    Sunnyside hatte für jeden etwas
und führte uns für kurze Zeit zusammen, gerade weil wir getrennte Wege gehen
konnten. An dem Abend, als wir endgültig einzogen, erlebten wir einen Moment
seltenen Einvernehmens. Grandma war bereits im Haus, und wir waren noch einmal
nach Hanmer gefahren, um einige letzte Kleinigkeiten zu holen. Als wir
zurückkamen und der Wagen über die Auffahrt — unsere Auffahrt — knirschte,
sahen wir sie, vom gardinenlosen Erkerfenster eingerahmt, auf einem hohen Stuhl
sitzen. Ihre Füße reichten nicht bis auf die Dielen hinunter, und es sah aus,
als schwebte sie in der Luft. Sie war in das grünliche Licht des Fernsehers
getaucht und drohte dem Ringer auf dem Bildschirm mit der Faust, hexenhaft,
grotesk — und zu Hause. Wir brachen in hysterisches Gelächter aus, bis uns die
Tränen herunterliefen. Aber es war nur recht und billig, daß sie sich hier zu
Hause fühlte, denn die sechshundert Pfund, die sie Grandpa abgeknöpft und auf
meinen Namen auf ein Postsparbuch eingezahlt hatte, waren komplett in den Kauf
des Hauses geflossen. Meine Eltern waren aus gutem Grand der Meinung, daß es
sich um unrechtmäßig erworbenes Geld handelte und daß sie es ihnen schuldete,
weil sie all die Jahre nichts zum Haushaltsgeld beigesteuert hatte und es auch
künftig nicht tun würde. Was mich betraf, so wußte ich bereits, daß Eigentum
Diebstahl war. Ich versuchte zwar, mich beraubt zu fühlen, aber ich wünschte
mir den Umzug ebensosehr wie die anderen.
    Und mehr noch. Mir wurde
allmählich bewußt, daß ich ungestraft davongekommen war. Mit meinem
geheimen Hochmut und meiner hoffnungslosen Schüchternheit, mit dem
Kohlkopfrechnen und den Tintenflecken in meinen Schulheften, mit Läusen,
Zahnspangen und Blaustrümpfigkeit, mit der Bewunderung meines Profils von links
im Badezimmerspiegel... Sunnyside, wo die Seele des Pfarrhauses in einem neuen
Leib aus Backsteinen und Mörtel wieder zum Leben erwacht schien, wiegte mich in
trügerischer Sicherheit. Im Sommer hatte ich wie erwartet alle Prüfungen
bestanden, und obwohl sich meine Eltern dem Standpunkt der Rektorin, daß meine
Begabung (trotz meiner guten Noten in Mathematik) in den
geisteswissenschaftlichen Fächern liege, angeschlossen hatten und ich folglich
nicht an der Jungenschule Physik und Chemie nachholen würde, kämpfte ich nicht
wirklich für mein Recht, einen weißen Kittel zu tragen und mich in das Fußvolk
beim Wettlauf in den Weltraum einzureihen. Ich hatte es nicht mehr nötig, mich
an einer Schule mit den Jungen zu messen — mit ihnen zu fraternisieren — , denn
in den ersten Monaten des neuen Schuljahres waren Vic und seine Freunde (von
denen die meisten Englisch und Geschichte oder alte Sprachen machten), die
Davies-Truppe, zu meinen und Gails Kumpels geworden.
    Dieses Argument tischte ich
zumindest meinen Eltern auf, als sie verlegen die Frage anschnitten, was ich
denn jetzt zu tun gedächte. Ich stellte uns ein wenig wie die Busladung von
Spätentwicklern dar, die einige Jahre später in dem Cliff-Richard-Film Summer
Holiday verewigt werden sollten — zu jung zum Verlieben, zu sehr darauf aus,
endlich loszulegen, um über Sinnenlust nachzugrübeln, zu frisch gewaschen, zu
gesund und munter und normal, um die Geborgenheit in der Gruppe nicht zu
schätzen.
    Noch vor unserem Umzug kam es
zu einer peinlichen Szene. Ich wollte mit meinem Vater nach Hause fahren und
war deshalb in Sunnyside aufgekreuzt, wo er in der Küche etwas verputzte (wegen
eines Fehlalarms in Sachen Maul- und Klauenseuche war das Geschäft
zurückgegangen). Er fing an, mir mit vielsagender Miene einen Vortrag darüber
zu halten, wie wichtig Selbstdisziplin und Selbstachtung für ein junges Mädchen
seien. In meiner

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