Die Angebetete

Verbindung.
    Simesky rief Myra Babbage in der hiesigen Wahlkampfzentrale an und bat sie, sich mit ihnen in dem neuen Versteck zu treffen.
    Dann brachen sie auf. Dance und Harutyun gingen voraus, dann folgten Davis und Simesky, und Tim Raymond bildete den Abschluss. Eilig durchquerten sie den Hotelkorridor und fuhren hinunter in die Parkgarage, wo sie in einen Chevrolet Tahoe des Sheriff’s Office stiegen.
    »Ich würde vorschlagen, wir schalten auf den ersten vier oder fünf Kilometern nur die Signalleuchte und nicht die Sirene ein«, sagte Dance zu Harutyun, der am Steuer des SUV saß. »Geben Sie ordentlich Gas … und wählen Sie möglichst Nebenstraßen und Gassen. Dann schalten wir die Leuchte aus und fahren im normalen Verkehrsstrom bis ans Ziel.«
    »Einverstanden.«
    »Glauben Sie, er ist in der Nähe?«, fragte Simesky und schaute beunruhigt aus dem Fenster.
    »Er ist unsichtbar«, lautete Dance’ rätselhafte Antwort. »Wir wissen es einfach nicht.«
    Als der große Wagen schnell beschleunigte, packte die CBI -Agentin den Griff der Armlehne und schien ein wenig blass zu werden. Davis dachte bei sich, dass sie seinen Speedboat-Touren bestimmt nicht viel abgewinnen würde, falls sie sich tatsächlich entschloss, für ihn zu arbeiten.
    Andererseits hatte er den Eindruck, dass sie und Susan gute Freundinnen werden könnten.
    Zehn Minuten später, als sicher zu sein schien, dass Edwin ihnen nicht folgte, verlangsamten sie das Tempo und bogen auf einen Highway ein. Nach einer weiteren halben Stunde folgte der Deputy für ungefähr anderthalb Kilometer einer menschenleeren Straße ohne Gebäude. Dann kam ein stattliches Blockhaus in Sicht. Der eingeschossige, braun gestrichene Bau stand mitten auf einer großen Lichtung – sodass man das Gelände gut überblicken konnte, falls jemand einen Angriff auf das Haus versuchte.
    Davis konnte sehen, dass es zudem nur wenige Fenster gab, die allesamt über Rollläden verfügten. Obwohl er vielleicht gefährdeter war als manch andere Politiker, hielt doch jeder, der sich um ein öffentliches Amt bewarb, instinktiv Ausschau nach möglichen Gefahren, bedachte Schusslinien und Scharfschützenstellungen. Überall. Ständig.
    Danke schön, zweiter Zusatzartikel, für das Recht zum Besitz und Tragen von Waffen.

56
    Kathryn Dance stieg dankbar aus dem SUV und atmete den angenehmen starken Kiefernduft ein.
    Die Übelkeit infolge der unruhigen Fahrt hielt zwar noch an, ließ aber bereits nach.
    Sie verfolgte, wie Harutyun zum Haus ging und eine Nummer in ein Tastenfeld eingab, woraufhin ein grünes Lämpchen aufleuchtete. Er trat ein und deaktivierte ein weiteres Sicherheitssystem. Tim Raymond, der Leibwächter, würde draußen bleiben. Dance tauschte mit ihm die Telefonnummern aus. Dann gesellte sie sich zu den anderen im Haus. Harutyun schaltete das Licht ein. Die Einrichtung war zweckmäßig und komplett unpersönlich: ein brauner Zottelteppich, der wie der Innenraum eines alten Autos roch, fleckige Fotos in billigen Plastikrahmen, Lampen im mediterranen Stil und viel zu verschnörkelte Möbel. Eine mietbare Skihütte. Der Geruch nach altem Dodge wurde ergänzt durch den nach muffiger Polsterung, Moder und Kochbrennstoff.
    Um den Kitsch zu vervollständigen, fehlte bloß noch ein Bären- oder Elchkopf an der Wand.
    Das Haus war groß. Es schien hier außer dem Wohnbereich und der Küche vier oder fünf Schlaf- und mehrere Arbeitszimmer zu geben.
    Harutyun schloss die Tür und verriegelte sie. Dann drehte er eine Runde durch das Haus und vergewisserte sich, dass alles in Ordnung war. Simesky begleitete ihn.
    Einige Minuten später rief Raymond bei Dance an und meldete, ihm sei in der Umgebung nichts Verdächtiges aufgefallen.
    Sie musterte die karge Behausung und dann Davis, der nun, nachdem er seine Frau in Sicherheit wusste, einfach nur verärgert zu sein schien, dass ein solcher Zwischenfall seinen Wahlkampf und die Wahrnehmung seiner Amtspflichten beeinträchtigte. Er bestätigte diesen Eindruck kurz darauf, als er murmelte, er hätte heute Abend eigentlich noch einen weiteren Auftritt vor Landarbeitern absolvieren sollen, aber das könne er wohl vergessen. Er würde Peter oder Myra bitten müssen, den Termin abzusagen. »Das kotzt mich an, muss ich gestehen.« Er setzte sich, rieb sich mit den Knöcheln die Augen und scrollte dann durch sein iPhone.
    Simesky und Harutyun kehrten von ihrem Rundgang zurück. »Alles klar, die Fenster und Türen sind verschlossen und