Die Angebetete
überzeugen, dass Edwin hinter den bisherigen Anschlägen steckte und auch Kayleigh ermordet hatte. Und verborgen unter Alicias Bett lag Deputy Gabriel Fuentes’ Pistolenkoffer – ohne die Waffe –, der ihm in der Nähe des Kinos entwendet worden war, während der Cop Edwin beschattet hatte.
»Alicia wusste, wo Gabriel war«, hatte Dance ihnen ins Gedächtnis gerufen. »Sie war bei der Besprechung im Sheriff’s Office dabei.«
Zunächst war ihnen kein Motiv dafür eingefallen, weshalb die Frau Edwin Sharp etwas anhängen wollte. Doch nun kannte Dance die Antwort. Sie zeigte Madigan und Harutyun zwei Dutzend Blätter Papier, die alle sehr ähnlich aussahen. Jemand hatte geübt, Kayleighs Handschrift zu fälschen und eine Nachricht zu verfassen:
An alle, die es angeht:
Ich möchte den Menschen, die mir nahestehen, einige Dinge mitteilen – für den Fall, dass mir unterwegs etwas zustößt … Ich muss einfach immer wieder an Patsy Cline in diesem Flugzeug denken … Nun, falls mir etwas passieren sollte, möchte ich gern, dass Alicia meinen Platz als Sängerin der Band einnimmt. Sie kennt die Songs so gut wie ich und kriegt die hohen Töne sogar besser hin. Und noch was: Ich will, dass ihr eine Mordsparty veranstaltet. Und sorgt dafür, dass sie »I’m in the Mood (for Rock ’n’ Roll)« singt, denn sie hat mich inspiriert, dieses Lied zu schreiben.
Wir sehen uns im Himmel, ich hab euch alle lieb!
Kayleigh
»Herrje«, murmelte Madigan. »Kayleigh ist das vierte Opfer. Die letzte Strophe. ›Sogar in der Geborgenheit unseres Zuhauses können die Sorgen uns einholen.‹ Alicia will sie in ihrem Haus umbringen.«
Dance riss das Telefon aus dem Futteral am Gürtel und tippte die Nummer der Sängerin ein.
Ich sollte einen Song über Dinge wie diese schreiben, dachte Kayleigh, die es zutiefst genoss, in der Wanne zu liegen, Loretta Lynn zu hören und den Veilchendurft der Kerze zu riechen, die sie angezündet hatte.
»Die alltäglichen Freuden«, sang sie. Nein. »Die kleinen Freuden.« So ließ es sich besser skandieren. Die gesparte Silbe half.
Es würde darum gehen, dass die Tragödien des Lebens, die Umstände, die sich unserer Kontrolle entziehen, durch die kleinen Dinge gelindert, wenn nicht gar ausgeglichen werden.
»Ein Mittel gegen den Schmerz.«
Nette Zeile, dachte sie. Gut. Doch dann … Moment. Halt mal. Du brauchst nicht alle fünf Minuten ein Lied zu schreiben.
Aber genau genommen schrieb sie die Songs gar nicht. Und zwar nie. Das war das Geheimnis. Sie schrieben sich von selbst.
Sie hörte nebenan ihr Telefon klingeln. Kayleigh überlegte. Ach was. Nach dem vierten Klingeln ging sowieso die Mailbox dran.
»Es trifft mich mitten ins Herz … Es ist ein Mittel gegen den Schmerz …« Hm, dachte sie sarkastisch. Wie scheußlich! Nur weil einem manche Zeilen schnell einfallen, heißt das noch längst nicht, dass sie gut sind. Aber für einen Profi gehört es dazu, das Miese vom Brauchbaren unterscheiden zu können. Sie würde noch daran arbeiten.
Als nun das Mobiltelefon schon wieder klingelte, dachte sie aus irgendeinem Grund an Mary-Gordon. Rief etwa Suellyn an, weil die Kleine krank war? Sollte Kayleigh ihr von hier irgendein besonderes Spielzeug mitbringen? Die Sorge um das Mädchen trieb Kayleigh aus der Wanne. Sie trocknete sich ab und zog schnell Jeans, Bluse und Socken an. Und setzte ihre Brille auf.
Vielleicht kam der Anruf auch von Alicia. Worüber genau wollte sie eigentlich sprechen? Was sollte Bishop nicht mitbekommen?
Es konnte alles Mögliche sein. Die Assistentin und Bishop hatten sich von Anfang an nicht gut verstanden. Ihr Vater mochte Frauen, die unterwürfig waren. Alicia arbeitete zwar für ihn – er war der Chef des Unternehmens –, aber es herrschte stets eine gewisse Spannung zwischen den beiden, weil sie keinen Kotau vor ihm machte.
Kayleigh nahm das Telefon. Ah, Kathryns Nummer. Sie drückte auf RÜCKRUF .
Während es klingelte, schaute sie aus dem Fenster. Es war inzwischen dunkel, aber sie sah Alicias blauen Pick-up in der Auffahrt stehen. Kayleigh hatte sie nicht ankommen gehört, aber die Assistentin konnte sich selbst hereinlassen. Sie hatte einen Schlüssel.
Dance hob ab.
»Hallo, wie …?«, setzte Kayleigh an.
Doch Dance fiel ihr ins Wort. »Kayleigh, hör gut zu«, drängte sie. »Ich habe keine Zeit, es dir zu erklären. Alicia Sessions ist zu dir unterwegs. Sie will dich töten. Verschwinde aus dem Haus. Sofort!«
»Was?«
»Hau sofort
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