Die Angebetete
Liegenschaften im Umkreis von dreißig Kilometern aufgekauft hatte. Heutzutage gab es dort keine Menschenseele mehr.
»Ich wusste, wie viel es dir bedeutet hat«, sagte Edwin mit aufrichtigem Ernst. »Dieses Grundstück. Ich wollte es dir zurückgeben. Du musst mir zeigen, wo du als kleines Mädchen auf deinem Pony geritten bist und mit den Hunden gespielt hast. Wir können Spaziergänge entlang derselben Strecken machen. Das wird ein Spaß! Vielleicht fangen wir schon heute vor dem Abendessen damit an.«
Sie nahm an, sie hätte lieber mitspielen und Rührung heucheln sollen, um bei passender Gelegenheit einen Stein aufzuheben und Edwin den Schädel einzuschlagen. Aber sie konnte einfach nicht so tun als ob. Die Abscheu und die Wut waren zu stark. »Wie, zum Teufel, kannst du behaupten, du würdest mich lieben, und mir dann so etwas antun?«
Er grinste und streichelte zärtlich ihr Haar. Sie riss den Kopf weg. Er nahm es kaum wahr. »Kayleigh … Schon als ich deine erste Nummer bei dem Konzert in Monterey gehört hatte, wusste ich, dass wir Seelenverwandte sind. Du brauchst womöglich noch ein wenig Zeit, aber dann wirst auch du es bemerken. Ich mache dich zur glücklichsten Frau der Welt. Ich werde dich verehren.«
Er bedeckte auch den Van mit einem Tarnnetz, beschwerte die Ecken mit Steinen am Boden und legte Kayleigh fest einen Arm um die Schultern. Dann führte er sie zu dem Wohnwagen.
»Ich liebe dich nicht!«
Er lachte nur. Aber je näher sie dem Wohnwagen kamen, desto eisiger wurde sein Blick. »Er hat dich gevögelt, nicht wahr? Bobby. Wage nicht, es zu leugnen.« Er ließ sie nicht aus den Augen, als fordere er stillschweigend die Wahrheit ein. Und als hoffe er gleichzeitig, dass er sich irrte.
»Edwin!«
»Ich habe ein Recht, es zu wissen.«
»Wir waren nur befreundet.«
»Ach, wo steht denn geschrieben, dass Freunde es nicht miteinander treiben? Weißt du, wo das geschrieben steht?«
Kayleigh registrierte, dass die höfliche Ausdrucksweise, die er bislang an den Tag gelegt hatte, offenbar eine Täuschung gewesen war, nur ein weiterer Teil des unschuldigen Erscheinungsbildes, das er für sich geschaffen hatte.
Sie standen nun an der Tür des Wohnwagens. Edwin beruhigte sich und lächelte. »Es tut mir leid. Der Gedanke an ihn lässt mich bloß immer wütend werden.«
»Edwin, sieh mal …«
»Ich sollte dich über die Schwelle tragen. Wie vor der Hochzeitsnacht, du weißt schon.«
»Fass mich nicht an!«
Er musterte sie mitleidig, so schien es. Dann stieß er die Tür auf und nahm Kayleigh auf die Arme, als würde sie nichts wiegen. Er trug sie hinein. Kayleigh wehrte sich nicht; eine seiner riesigen Hände hatte sich um ihre Kehle geschlossen.
74
»Wir sind auf dem Weg«, sagte Kathryn Dance zu Michael O’Neil am anderen Ende der Leitung.
Dann keuchte sie auf, weil Dennis Harutyun mit dem rechten Außenspiegel beinahe einen Lastwagen gestreift hatte. Er scherte nach dem Überholen wieder ein und beschleunigte.
»Alles in Ordnung?«, fragte O’Neil. »Hallo, bist du noch da?«
»Ja, bin ich … ja.« Sie schloss die Augen, weil Harutyun sich den nächsten Sattelschlepper vornahm.
O’Neil saß in seinem Büro am Schreibtisch. Dance öffnete kurz die Augen und fragte: »Was habt ihr aufgeboten?«
»Zwei Hubschrauber rund um Point Lobos – da hat Edwin sie bei dem Konzert vor zwei Jahren zum ersten Mal gesehen. Ein weiterer Helikopter deckt den Bereich von Moss Landing bis nach Santa Cruz ab. Er konzentriert sich auf das unbewohnte Gebiet. Die Highway Patrol errichtet Straßensperren rund um Pacific Grove, Pebble Beach und Carmel. Aus Monterey und dem County sind ungefähr vierzig Uniformierte beteiligt.«
»Gut.«
»Und dein Chef zieht sein übliches Ding durch.«
Charles Overby, der Leiter der CBI -Dienststelle von Monterey und begeisterter Anhänger von Pressekonferenzen, rief die Bevölkerung zur Mithilfe bei der Suche nach Edwin Sharp und Kayleigh Towne auf.
Auf den zahlreichen Fanseiten herrschte ebenfalls reger Betrieb. Überall wurden Fotos des Verdächtigen und seines Opfers gepostet, wenngleich Dance vermutete, dass jeder, der ein Fernsehgerät oder ein iTunes-Abonnement besaß, wusste, wie Kayleigh Towne aussah.
»Wie geht es dir?«, fragte O’Neil.
Eine seltsame Frage.
Allerdings nicht, wenn man berücksichtigte, was sich zwischen ihnen zugetragen hatte, bevor er aus Fresno aufgebrochen war.
Doch nun war nicht der geeignete Zeitpunkt für derartige
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