Die Angebetete
es ihr nur um die Akustik. Für Bobby, den Romantiker, waren dies ganz besondere, beinahe andächtige Orte. Er glaubte, dass die Klänge aller Künstler, die je in einem solchen Saal aufgetreten waren, für immer dort weiterlebten. Und in der Beziehung konnte dieser hässliche Betonklotz in Fresno einiges vorweisen. Auch Bobby stammte von hier, und er hatte hier Dylan und Paul Simon gesehen, U2 und Vince Gill, Union Station und Arlo Guthrie, Richard Thompson und Rosanne Cash, Sting und Garth Brooks, James Taylor und Shania und, und, und – die Liste war endlos. Ihre Stimmen und der Widerhall ihrer Gitarren, Bläsersektionen und Drums hatten buchstäblich die Struktur dieses Ortes verändert, glaubte er.
Als er sich nun der heruntergefallenen Scheinwerferbatterie näherte, fiel ihm auf, dass sie bewegt worden war. Bobby hatte den schweren schwarzen Beleuchtungskörper auf die Bühne abgelassen und verfügt, dass niemand ihn anrühren solle. Inzwischen lag das Ding aber vorn an der Kante, oberhalb des Orchestergrabens, und somit gute viereinhalb Meter von der ursprünglichen Stelle entfernt.
Dafür würde jemand Ärger bekommen. Bobby hatte genau nachvollziehen wollen, was geschehen war. Er hockte sich hin und nahm den Scheinwerferriegel in Augenschein. Wie, zum Teufel, hatte so etwas passieren können?
Steckte etwa dieses Arschloch Edwin Sharp dahinter?
Vielleicht …
Bobby Prescott hörte keine Schritte hinter sich. Er spürte nur, dass zwei Hände ihn nach vorn stießen und er stürzte. Als der Betonboden des Orchestergrabens ihm nach sechs Metern Fall den Unterkiefer und den Arm brach, drang lediglich ein kurzer Schrei über seine Lippen.
O Gott, o Gott …
Er lag auf dem Bauch und starrte den weißen, blutbespritzten Knochen an, der aus seinem Unterarm ragte.
Bobby stöhnte auf und fluchte und brüllte um Hilfe.
Wer? Wer hat das getan?
Edwin? Womöglich hat er uns in dem Café belauscht, als ich zu Kayleigh gesagt habe, dass ich spätabends noch herkommen würde.
»Hilfe!«
Stille.
Bobby versuchte, sein Mobiltelefon aus der Tasche zu ziehen. Die Schmerzen waren zu stark. Er wurde fast ohnmächtig. Versuch’s gefälligst noch mal! Willst du hier etwa verbluten?
Dann hörte er trotz seines keuchenden Atems ein leises Geräusch von oben, ein Scharren. Er drehte den Kopf und sah hoch.
Entsetzt verfolgte er, wie der Scheinwerferriegel sich direkt über ihm immer weiter über die Bühnenkante schob.
»Nein! Wer ist da? Nein!«
Bobby wollte verzweifelt außer Reichweite kriechen, aber seine Beine gehorchten ihm nicht. Also versuchte er, sich mit dem unverletzten Arm über den Betonboden zu ziehen.
Zwei Zentimeter, fünf …
Beweg dich, roll dich zur Seite!
Doch zu spät.
Die Scheinwerferbatterie traf mit hundertsechzig Kilometern pro Stunde auf seinen Rücken. Er fühlte hoch oben in seinem Körper abermals etwas brechen, und alle Schmerzen waren plötzlich weg.
Mein Rücken … mein Rücken …
Ihm wurde schwarz vor Augen.
Irgendwann später kam Bobby Prescott wieder zu sich – nach Sekunden, Minuten oder Stunden. Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass der Raum in erstaunliche Helligkeit getaucht wurde; die Scheinwerfer auf seinem Rücken waren eingeschaltet worden.
Und jede der großen Birnen brannte mit der Kraft von eintausend Watt.
Dann sah er auf der Wand diverse Schatten flackern, hervorgerufen durch Flammen. Im ersten Moment war ihm nicht klar, was da brannte – er spürte jedenfalls keinerlei Hitze. Doch dann stieg ihm der eklige Gestank von verkohltem Haar und Fleisch in die Nase.
Da wusste er es.
MONTAG
8
Das Klingeln des Telefons riss Kathryn Dance aus dem Schlaf. Die Kinder, dachte sie.
Dann: ihre Eltern.
Dann: Michael O’Neil, eventuell dienstlich, wegen eines der Banden- oder Terrorfälle, an denen er in letzter Zeit gearbeitet hatte.
Während sie nach ihrem Mobiltelefon tastete, es fallen ließ und erneut danach suchen musste, schoss ihr eine Vielzahl von Szenarien durch den Kopf, die hätten erklären können, weshalb jemand sie bei Tagesanbruch anrief, obwohl sie sich im Urlaub befand.
Und Jon Boling … war mit ihm alles in Ordnung?
Sie bekam das Telefon zu fassen, konnte aber ohne Brille die Nummer des Anrufers nicht entziffern. Sie drückte die grüne Taste. »Ja?«
»Ich hab dich geweckt, Boss.«
»Was?«
»Tut mir leid.«
»Tut dir leid was heißt das tut dir leid ist bei euch was passiert?« Ein Satz aus vielen. Dance musste, wie so oft, an den Anruf
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