Die Angebetete
streiten, dass die Fetzen flogen, und nahmen nie ein Wort davon persönlich. Dance glaubte, dass niemand so gut wie er zu ihr passte.
Abgesehen von einem kleinen Problem: seiner Frau. Die ihn und die gemeinsamen Kinder am Ende doch noch verlassen hatte – aber natürlich erst, nachdem Dance angefangen hatte, mit Jon Boling auszugehen. Michael und Anne waren immer noch miteinander verheiratet, wenngleich sie inzwischen in San Francisco wohnte. O’Neil hatte erwähnt, dass die Scheidungsformalitäten derzeit vorbereitet würden, aber der genaue Ablauf schien noch in den Sternen zu stehen.
Kayleigh Towne würde sich hinsichtlich einer Aussage zu diesem Thema jedenfalls noch eine Weile gedulden müssen.
Zehn Minuten später hielt Darthur Morgan vor dem Mountain View Motel. Dance wünschte den beiden eine gute Nacht.
In diesem Moment summte Kayleighs Telefon. Sie schaute auf das Display und runzelte die Stirn. Dann hob sie ab. »Hallo? … Hallo?« Sie lauschte kurz und fragte dann verärgert: »Wer ist denn da?«
Dance hatte die Hand schon auf dem Türgriff. Sie hielt inne und wandte sich zu der Sängerin um.
Kayleigh trennte die Verbindung und musterte erneut das Display. »Komisch.«
»Was?«
»Jemand hat mir gerade eine Strophe aus ›Your Shadow‹ vorgespielt.«
Das war der Titelsong ihres neuesten Albums und bereits ein riesiger Hit.
»Wer auch immer das war, er hat kein Wort gesagt. Er hat nur die erste Strophe gespielt.«
Dance hatte sich das Lied heruntergeladen und kannte den Text.
You walk out onstage and sing folks your songs.
You make them all smile. What could go wrong?
But soon you discover the job takes its toll,
and everyone’s wanting a piece of your soul.
(Du gehst hinaus auf die Bühne und
singst den Leuten deine Lieder vor.
Du bringst sie alle zum Lächeln.
Was soll da groß schiefgehen?
Doch schon bald stellst du fest,
dass dieser Job seinen Tribut fordert
und jeder ein Stück von deiner Seele will.)
»Die Sache ist nur die: Die Aufnahme war von einem Konzert.«
»Aber es gibt doch von dir gar kein Live-Album«, sagte Dance, die wusste, dass Kayleigh die kontrollierte Umgebung eines Studios bevorzugte.
Die junge Frau starrte immer noch das Display an. »Stimmt. Das muss ein Bootleg gewesen sein. Aber die Aufnahme war von wirklich guter Qualität – fast wie eine echte Stimme, keine Aufzeichnung. Wer war das eben? Und warum?«
»Sagt dir die Nummer des Anrufers denn nichts?«
»Nein. Die Vorwahl stammt nicht hier aus der Gegend. Glaubst du, das war Edwin?« Ihre Stimme spannte sich an, und ihr Blick richtete sich auf Darthur Morgan, dessen dunkle, ruhige Augen im Rückspiegel zu sehen waren. »Aber halt, nur meine Freunde und Angehörigen kennen meine Nummer. Wie ist er nur an sie rangekommen?« Sie verzog das Gesicht. »Vielleicht auf die gleiche Weise wie an meine E-Mail-Adressen.«
»Könnte es jemand aus der Band gewesen sein, der dir einen Streich spielen will?«, fragte Dance.
»Keine Ahnung. So was ist zumindest noch nie vorgekommen.«
»Gib mir die Nummer. Ich mache ein paar Anrufe. Und ich überprüfe Edwin. Wie war doch gleich sein Nachname?«
»Sharp. Ohne e am Ende. Bist du so nett, Kathryn?«
»Na klar.«
Dance notierte sich die Nummer des Anrufers und stieg aus dem Wagen.
Sie verabschiedeten sich.
»Ich schätze, wir sollten wohl lieber nach Hause fahren, Darthur.«
Während der Wagen anfuhr, suchte Kayleigh den leeren Parkplatz ab, als würde Edwin Sharp dort irgendwo lauern.
Dance ging hinein und ertappte sich dabei, dass sie eine Zeile aus »Your Shadow« summte, die ihr unaufhörlich durch den Kopf schwirrte.
What could go wrong … what could go wrong … what could go wrong?
6
An der Bar des Mountain View holte Dance sich ein Glas Pinot noir. Dann ging sie zu ihrem Zimmer und trat ein. Sie hatte schon zuvor das Bitte-nicht-stören-Schild außen an den Türgriff gehängt und ließ es nun dort, denn sie freute sich auf etwas, das im Leben einer Mutter selten vorkam – ausschlafen zu können.
Sie duschte, zog einen Bademantel an, trank einen Schluck Wein und setzte sich aufs Bett. Dann drückte sie eine Kurzwahltaste an ihrem Telefon.
TJ Scanlon hob beim ersten Klingeln ab. »Hallo, Boss«, sagte er fröhlich. Im Hintergrund ertönten merkwürdige Geräusche. Klingeln, Rufe, die Melodie einer Dampforgel.
»Bist du in einer Spielhalle oder so?«
»Auf einem Jahrmarkt. In Begleitung. Wir stehen hier gerade in der Warteschlange der Achterbahn,
Weitere Kostenlose Bücher