Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Angebetete

Die Angebetete

Titel: Die Angebetete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
hätte dich einer Gehirnwäsche unterzogen. Irgendwann aber wird er dein Verhalten anders deuten, nämlich als würdest du mit ihm Schluss machen. Und wenn das geschieht, verwandelt er sich in einen schlicht-obsessiven Typ. Wie ein verschmähter Ehemann oder Geliebter. Das sind die gefährlichen Stalker. Es kann von einem Moment auf den anderen passieren. Er wird durchdrehen. Er wird Rache wollen.« Dance überlegte, kam dann aber zu dem Schluss, dass falsche Rücksichtnahme nicht angebracht war. »Oder er wird dich einfach nur töten wollen, damit kein anderer dich haben kann.«

21
    Das Kongresszentrum war gründlich gereinigt worden.
    Im Hinblick auf die Geschäftswelt machte Kathryn Dance sich nichts vor – sie hatte früher als Beraterin und Journalistin gearbeitet. Und Musik auf Kayleigh Townes Niveau war ein ziemlich großes Geschäft. Daher überraschte es sie nicht, dass der Tatort so schnell wie möglich gesäubert worden war und inzwischen nichts mehr auf den Todesfall hinwies. Das Konzert sollte immerhin wie geplant stattfinden.
    Dance hatte sich gegen den Geruch gewappnet; kaum etwas ist so hartnäckig wie der Gestank von verbranntem Haar und Fleisch. Doch welche Reinigungsfirma Madigan oder Charlie Shean auch beauftragt haben mochten, die Leute hatten erstklassige Arbeit abgeliefert. Es roch hier nun nach Lysol – und nach Zimt, warum auch immer.
    Kayleigh war hier und arbeitete am Ablauf der Bühnenshow. Tye Slocum, der Gitarrentechniker, fungierte vorübergehend als Chefroadie, bis Alicia dafür einen Profi würde anheuern können; sie brauchten jemanden, der sich nicht nur um den Auf- und Abbau kümmerte, sondern außerdem das Mischpult beherrschte, das so kompliziert wie ein Flugzeugcockpit war. Der stille, stämmige junge Mann war nervös und nicht allzu selbstsicher, versuchte aber, sich der Lage gewachsen zu zeigen. Es mussten natürlich Hunderte von Entscheidungen getroffen werden. Schwitzend schaute er immer wieder Hilfe suchend zu Kayleigh, die ihn bereitwillig anleitete und ihn lächelnd und nickend aufmunterte, obwohl es ihr erkennbar zusetzte, in der Nähe der Stelle zu stehen, an der ihr Freund gestorben war.
    Dance rief Tye mit Kayleighs Einverständnis zu sich und erklärte ihm, dass sie mit der gesamten Crew sprechen musste. Er trommelte die Mannschaft zusammen. Die Leute waren im Alter von Anfang zwanzig bis Mitte vierzig und alle gut in Form, was angesichts ihrer körperlich anstrengenden Tätigkeit auch zu erwarten war. Dance sprach mit ihnen in der verschrammten schwarz gestrichenen Seitenkulisse der Bühne.
    Ihr fiel auf, dass die Leute und Kayleigh sehr herzlich miteinander umgingen – die ganze Truppe war wie eine große Familie. Allerdings schien niemand ihr so nahezustehen, wie Bobby es getan hatte, und daher würde Edwin auch keinen von ihnen als offensichtlichen Rivalen empfinden. Von allen Anwesenden war Tye derjenige, der Kayleigh anscheinend am besten kannte, aber die Zuneigung zwischen ihnen ähnelte der zwischen Geschwistern, wie Dance aus der Körpersprache der Sängerin in seiner Gegenwart entnahm.
    Und sie gewann auch nicht den Eindruck, jemand hier hätte ein Motiv für den Mord an Bobby Prescott gehabt haben können. – Diese Möglichkeit zu überprüfen war ja einer der Gründe für diese Befragung.
    Die einzige Person, mit der Dance nicht sprach, war Alicia. Sie hatte bei Kathryns Ankunft draußen vor dem Kongresszentrum gestanden, gleich neben einem Ford F-150 Pick-up mit Anhängerkupplung und Stoßstangenaufkleber: I ♥ MY QUARTER HORSE .
    In ihrem Mundwinkel hatte eine Zigarette gesteckt, und sie hatte mit ihren muskulösen Armen, den Tätowierungen und der herausfordernden Miene eher wie eine Fernfahrerin als wie eine persönliche Assistentin ausgesehen. Alicia war mutmaßlich am stärksten gefährdet; sie hatte Edwin im Cowboy Saloon am aggressivsten die Stirn geboten und würde von ihm als Hindernis auf dem Weg zu Kayleigh wahrgenommen werden.
    Dance konnte sie jedoch nicht persönlich warnen, sondern nur per Nachricht auf ihrer Mailbox. Die Assistentin hatte das Kongresszentrum bereits verlassen, als Kathryn mit ihr sprechen wollte.
    Während Dance ihre Notizen durchging, registrierte sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Ihr Blick schweifte über die vielen schattigen Winkel des Konzertsaals. Sie hatte zuvor zwei Dutzend Türen und Notausgänge gezählt. Und sie wusste ja, wie nachlässig das Verschließen der Türen gehandhabt wurde, wenn gerade

Weitere Kostenlose Bücher