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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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und Gentlemen. Die kleinen schlitzäugigen Gurkhas präsentierten die Gewehre mit der Präzision britischen Drills. Gromtschewski war von diesem Paradestück hoch angetan und teilte das seinem Riva len anerkennend mit. Seine kraftstrotzenden, bärtigen Kosaken waren in solchen Künsten weniger geübt; dafür beeindruckten sie durch ihre riesige Statur.
    Das Kräftemessen zwischen London und Sankt Petersburg in Zentralasien wurde im Jahr 1905 jäh abgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt erlitten die Streitkräfte des Zaren in der Seeschlacht von Tsushimaund nach der Erstürmung der Festung Port Arthur durch die Soldaten des Tenno vernichtende Niederlagen. Zu Expansionsbestrebungen in Richtung Indien war keine überschüssige Kraft mehr vorhanden. 1907 kam es zur präzisen Abgrenzung der jeweiligen Einflußzonen. Um jedes Risiko, daß sich die beiden Imperien ins Gehege kämen, zu bannen, wurde der langgestreckte Finger des unwirtlichen Wakhan-Zipfels dem Königreich Afghanistan zugeschlagen und damit neutralisiert. Das Zarenreich wandte sich in seinem unersättlichen Ausdehnungsdrang Europa zu, zumal auf dem Balkan. Einer Militärallianz mit dem »perfiden Albion« gegen das wilhelminische Deutschland und die morsche Donaumonarchie der Habsburger stand nichts mehr im Wege.
Die Flucht des »Großen Pferdes«
    Was mich am Tage unserer Expedition östlich von Osch faszinierte, waren die verblüffenden Meldungen aus Urumqi, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Xinjiang, »Westmark« in der Überset zung. Wir befanden uns ja in unmittelbarer Nachbarschaft dieser Region.
    Am 5. Juni 2009 hatten sich in Urumqi chaotische, mörderische Szenen abgespielt. Mit einem solchen Haßausbruch des türkisch islamischen Volkes der Uiguren, das etwa neun Millionen Men schen zählt, gegen die Bevormundung und Knebelung durch die im Reich der Mitte dominierende Han-Rasse hatte ich nicht ge rechnet, obwohl ich in Xinjiang intensive persönliche Erfahrungen gesammelt hatte. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass sich dieser östlichste Zweig der großen turanischen Völkerfamilie, dessen Angehörige in Urumqi infolge massiver chinesischer Zu wanderung noch höchstens ein Drittel der Einwohner ausmacht, zu einem kollektiven Amoklauf dieses Ausmaßes gegen die frem den Eindringlinge aufraffen könnte.
    Vonden überraschten Sicherheitsorganen kaum behindert, hat ten die Aufrührer laut offiziellen Angaben 194 Chinesen ermordet, deren Geschäfte verwüstet und staatliche Einrichtungen in Brand gesetzt. Wie viele Opfer dann die Niederwerfung dieser Revolte unter den Uiguren forderte, läßt sich nicht überprüfen. Selbst der akute Auslöser dieses Pogroms der Unterdrückten gegen die all mächtige Überzahl der Han bleibt ungeklärt. Bei den Uiguren, de ren Typologie ihren türkischen Verwandten in Anatolien ähnlicher ist als den stark mongolisch geprägten Kasachen und Kirgisen, muß sich das Gefühl einer unerträglichen Diskriminierung und Benach teiligung durch die Pekinger Staatsorgane angestaut haben, um eine solche Explosion auszulösen, die stellenweise in einer Hetzjagd auf alle Zuwanderer ausartete.
    Warum haben diese spektakulären Häuserkämpfe von Urumqi in der westlichen Öffentlichkeit – gemessen an den Entrüstungsstür men, die das chinesische Vorgehen gegen die tibetischen Protest aktionen in Lhasa entfachte – relativ geringe Beachtung und we nig Solidarisierung gefunden? In das »de Luxe«-Hotel von Osch zurückgekehrt, bin ich darauf von einem ungewöhnlich mittei lungsfreudigen kirgisischen Studenten, vermutlich einem Verwand ten unseres »Fixers«, angesprochen worden.
    Sein Argument klang einleuchtend. Während die buddhistischen Mönche von Lhasa einer Erbauungslehre anhingen, die dem Prin zip der Gewaltlosigkeit und der politischen Abstinenz huldigt, sind die Uiguren seit Jahrhunderten zum Islam bekehrt und haben in Fragen der koranischen Religionsausübung – inklusive des Jihad – eine rigorosere Haltung eingenommen als die noch weitgehend in schamanistischen Bräuchen verhafteten Kasachen und Kirgisen. Unter den Uiguren fand sich auch eine beachtliche Anzahl von »Gotteskriegern« bereit, als Freiwillige in der »grünen Legion« Osama bin Ladens am Heiligen Krieg gegen die gottlosen russi schen »Schurawi« und – nach deren Vertreibung aus Afghanistan – gegen jene Feinde Gottes anzutreten, die im Namen des US-Impe rialismus die muslimische »Umma« zu knechten suchten.
    Noch viel krasser, so meinte

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