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Die Angst des wei�en Mannes

Titel: Die Angst des wei�en Mannes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Scholl-Latour
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Regierungsführung Lech Walesas nach seiner Berufung zum Präsidenten Polens und der »malgovernance«,dem administrativen Dilettantismus, der die Amtszeit Guzmãos auf Timor-Leste kennzeichnet?
    Von meinen eigenen Kontakten mit Australien ausgehend, kann ich die Vorbehalte, die Vorurteile der anwesenden Timoresen nicht teilen. Zweimal habe ich mich mit australischen Kamerateams in recht gefährlichen Situationen befunden und dabei ihre Professio nalität, ihre absolute Verläßlichkeit, ihren Mut und ihre Umsicht schätzen gelernt. Das war in den Jahren 1974 und 1975 in Kambo dscha, als wir regelmäßig von Phnom Penh bis ins Vorfeld der Ro ten Khmer ausschwärmten und die berüchtigte Straße nach Neak Luong befuhren.
    Etwa fünfzehn Jahre später machte ich eine ähnlich positive Er fahrung mit australischen Kollegen, die mir – in Ermangelung deutscher Freiwilliger – für diesen riskanten Einsatz von der zyprio tischen Agentur »News Force« empfohlen wurden. Auf der Stre cke von Split an der Adriaküste bis Sarajevo mußten wir umstritte nes kroatisches Territorium, später die Kampflinien der Serben und der muslimischen Bosniaken durchqueren. In Sarajevo mußten wir mehrfach am Tag zwischen dem Betonklotz des Fernsehzentrums und dem durch Beschuß schwer beschädigten Holiday Inn über die sogenannte Snipers Alley rasen, wo man ins Fadenkreuz der Scharf schützen des General Mladić geriet. Es war das einzige Mal in mei nem langen Berufsleben, daß ich mich in eine kugelsichere Weste klemmte. Auch bei diesem Einsatz kam zu den australischen »Ma tes« ein herzliches Gefühl der Kameradschaft und der Anerken nung auf. Aber als Asiate sieht man diese Fremdlinge aus dem na hen Fünften Kontinent vielleicht mit anderen Augen.
    Zu dem kleinen Affen, der nach Nahrungsresten greift, haben sich zwei Katzen gesellt. Sie streunen frei herum. Ich erfahre, daß man auf dieser Sunda-Insel ebenso ungeniert Hundefleisch verzehrt wie in zahlreichen anderen Ländern Asiens, daß die Katze jedoch als un heimliche, magische Kreatur gilt. Wer auf Timor eine Katze tötet, so besagt der Aberglaube, sei verflucht bis ins siebte Glied. Wehe dem aufgebahrten Leichnam, dem sich eine Katze zu sehr genähert hat. Der Tote würde dann als böser Geist wiederauferstehen.
    Fetischismusund Heidentum bleiben hier tief verwurzelt. So werden die riesigen, seegängigen Krokodile, die östlich von Baucau die Küstengewässer und die Flußmündungen verunsichern, als Wiedergeburt längst verstorbener Ahnen verehrt. Bei den Dorfbe wohnern haben sich Ursprungsmythen erhalten, die der Erde die Rolle einer Mutter zuweisen, zu der alle Menschen nach dem Tod heimkehren, während die Sonne als Verkörperung männlicher Zeu gungskraft gilt. Die Eingeborenen leben zudem in der Furcht vor magischen Kräften und bösen Geistern.
Der segnende Christus von Dili
    Dili, im März 2008
    Wie sich das Festhalten am ererbten Animismus mit dem über schwenglichen Bekenntnis zum katholischen Glauben vereinbaren läßt, mit der tiefen Frömmigkeit, die ich beim sonntäglichen Hoch amt am Morgen des gleichen Tages in der Kathedrale von Dili be obachten konnte, bleibt für den Außenstehenden rätselhaft.
    Das Gotteshaus war bis auf den letzten Platz gefüllt. Ich war der einzige Weiße in dieser dicht gedrängten Versammlung. Die Messe entsprach dem schlichten Ritual des Zweiten Vatikanischen Kon zils. Gebetet, gesungen und gepredigt wurde auf Portugiesisch. Der Geistliche war Timorese. Unter den Ministranten befanden sich auch junge Mädchen. Die Kommunion, zu der jeder Anwesende an den Altar trat, wurde von einheimischen Ordensschwestern ge reicht. In Dili gibt es noch eine andere große katholische Kirche, wo der Gottesdienst in der lokalen Tetum-Sprache abgehalten wird. Die entrückte Inbrunst der Gläubigen war beeindruckend.
    Am Vorabend der Sonntagsmesse und meines Geburtstages hatte mir der Bischof von Dili, Monsignore Carlos Belo, eine Audienz gewährt. Der kleingewachsene, umsichtig formulierende Mann, der eine weiße Soutane mit lila Knöpfen trug, sah keineswegs wie ein Freiheitsheldoder ein zum Martyrium entschlossener Diener Gottes aus. Der Sechzigjährige wirkte sogar ein wenig schüchtern und hütete sich, zu den politischen Vorgängen in seiner hart geprüften Diözese Stellung zu nehmen.
    Zur Zeit der Okkupation durch die Republik Indonesien, wo mehr als neunzig Prozent der 220 Millionen Einwohner sich zur Botschaft des Propheten Mohammed bekennen,

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