Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
eingerechnet, die sie möglicherweise trugen.
Aber ganz egal, wie ich es anstellte, wenn ich jetzt die Flucht antrat und wider Erwarten überlebte, wäre die Operation gelaufen. Unwiderruflich. So viel war sicher. Charlie würde sofort den Laden dichtmachen und anfangen seine Spuren zu verwischen. Wahrscheinlich würde das FBI zuschlagen, bevor ihm das gelang; sobald ich Lee Tucker informiert hätte, würden sie ihn wohl verhaften. Schließlich hatten sie bereits ausreichend
Beweise gegen ihn. Doch ich wäre meines Lebens nicht mehr sicher, zumindest für eine ganze Weile.
Außerdem war meine Mission noch nicht beendet. Ich stand zwar schon kurz vor dem Ziel – zumindest glaubte ich das –, aber wirklich zufrieden würde ich erst sein, wenn ich die ganze Wahrheit über den Mord an Ernesto Ramirez herausgefunden hatte. Und sobald ich aus dieser verdeckten Ermittlung ausstieg, war mir der Weg zur Wahrheit abgeschnitten.
Es galt also, diese Neugier abzuwägen gegen die Gefahr, enttarnt zu werden.
Neugierige Katzen verbrennen sich die Tatzen, hab ich mal irgendwo gehört.
Vermutlich war es eine unkluge Entscheidung. Vermutlich wäre es wesentlich cleverer gewesen, mein Heil in der Flucht zu suchen. Aber es war auch unklug von mir gewesen, in diese Gasse zu Ernestos Freund Scarface hinauszutreten; und doch hatte sich das am Ende als der richtige Schritt erwiesen.
Sie sind gut darin. Jetzt musste ich gut sein. Flatternde Nerven und Angst lassen sich nur schwer verbergen. Sie verraten sich in den Bewegungen, in der Sprache, in der Handlungsweise. Ich musste in meiner Rolle bleiben. Ich hatte nichts zu verbergen. Ich musste den F-Bird vergessen. Ich musste jederzeit bereit sein, ihnen mein Jackett zu überlassen oder auf Verlangen die Taschen nach außen zu wenden, ohne das geringste Zögern. Ja, vielleicht würde ich es ihnen sogar aus eigener Initiative übergeben.
Ich stieg aus dem Porsche und schloss die Tür. Ich warf Charlie einen Hey-was-wollen-diese-Typen -Blick zu, aber die Beleuchtung hier drin war miserabel, außerdem schaute er gerade nicht zu mir rüber.
»Charlie, was geht hier vor?«, fragte ich ihn über den Wagen hinweg. Genau der Satz, den eine unschuldige Person in so einem Moment sagen würde. Dummerweise auch genau der Satz, den eine schuldige Person sagen würde. Ab diesem Punkt unterschied sich das nicht mehr voneinander. Auch eine unschuldige Person wäre besorgt, was hier als Nächstes passieren würde. Und selbst jemand, der absolut nichts zu verbergen hatte, hätte Angst, befragt und möglicherweise verprügelt zu werden.
Wie ich zugeben musste, war Charlie bisher ziemlich clever vorgegangen. Er hatte eindeutig geplant, mir auf den Zahn zu fühlen. Während der Fahrt hatte er jedoch kein Wort darüber verloren. Bei seiner Bemerkung über Starlight war ihm ein bisschen was entschlüpft, aber abgesehen davon hatte er sein Pulver nicht verschossen. Clever, weil ich sonst die Möglichkeit zur Flucht gehabt hätte. Ich hätte ihn während der Fahrt überwältigen können. Ich hätte an einer roten Ampel aus dem Wagen springen können, wenn nötig sogar während der Fahrt.
Stattdessen hatte er gewartet, bis ich hier war und mich drei seiner Schläger quasi umzingelt hatten.
Lederjacke hielt drüben in der Ecke die Tür auf. Einer der Kerle stand direkt hinter mir. Der andere – der Beifahrer des SUV — bog soeben um die Vorderseite des Wagens. Und Charlie umrundete das Heck des Porsches.
Noch konnte ich flüchten. Mit etwas Glück würde ich diesen Idioten entwischen. Ich musste sie ja nicht überwältigen. Ich musste einfach nur genug Schaden anrichten, um ungehindert wegrennen zu können.
»Los, gehen wir«, sagte der Kerl direkt hinter mir.
Ich drehte mich um, nicht zu abrupt, aber auch nicht zu
langsam. Dann machte ich einen Schritt auf ihn zu, so dass ich direkt vor ihm stand. Mein Mantel streifte seinen. Vermutlich hatte er fünfzig Kilo mehr als ich, aber er war ein ganzes Stück kleiner und musste den Kopf leicht in den Nacken legen, um mir in die Augen zu sehen.
Sein Partner, der Beifahrer, hatte den SUV noch nicht umrundet. Charlie stand irgendwo im Schatten. Somit blieben mir etwa zwei Sekunden Zeit allein mit diesem Affen in relativer Dunkelheit. Diese zwei Sekunden waren wohl die entscheidenden meines Lebens. Während sich unsere Nasenspitzen fast berührten, sagte ich: »Hey, Vito, ich glaube, du hast mich mit irgendeinem deiner Befehlsempfänger verwechselt. «
Der
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