Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
durchsuchen, bei dem Adalbert Wozniaks Firma ABW-Gastronomiebedarf 2005 mitgeboten hatte. Ich durchstöberte sämtliche Aktenschränke und versuchte zwischenzeitlich sogar, im Computer etwas zu finden, hatte aber kein Glück. Ich würde wohl darauf warten müssen, dass Patrick mich erneut zu Tode erschreckte
und ihn dann bitten, mir zu zeigen, wo ich nachschauen musste.
Meine offizielle Aufgabe bestand darin, bis zum Ende des Tages Memoranden über fünf zu vergebende Aufträge zu verfassen. Hätte man »bürokratische Hölle« im Lexikon nachgeschlagen, hätte man dort eine exakte Beschreibung meiner Tätigkeiten gefunden. Diese umfasste folgende fesselnde Themen: »Asbest-Dämmmaterial« für die Strafvollzugsbehörde; »Urin becher für stichprobenartige Drogentests« für die Strafvollzugsbehörde; »HIV-1 Schnelltests« für die Gesundheitsbehörde; »Füllstoffe für Asphaltrisse und Fugen« für das Straßenbauamt; sowie »Schulbusse und Busse mit Rollstuhllift« für das staatliche Erziehungsministerium. Ich hätte mehr Spaß dabei gehabt, Wasser beim Gefrieren zuzusehen. Die Abgabenordnung der Vereinigten Staaten war damit verglichen ein spannender Thriller.
Gerade als ich das letzte Memorandum für Patrick beendet hatte, stürzte er erneut in mein Büro. »Noch eine Sache, Jason, ja? Kann sein, dass Mr. Cimino Sie gelegentlich rufen lässt. Dann möchte er, dass Sie in sein Büro kommen.«
»Er hat hier einen offiziellen Posten?«
Das verwirrte Patrick ganz offensichtlich. Er starrte lange auf den Teppichboden, bevor er antwortete: »Er wird Ihnen manchmal Instruktionen erteilen.«
»In seinem Büro.«
»Ja, er will Sie dann persönlich sprechen. Er mag keine Telefone. «
»Ein geheimnisvoller Mann«, bemerkte ich.
Seine Augen zuckten kurz empor und begegneten meinen. »Okay, ich muss los.«
Und schon war er wieder verschwunden. Die ABW-Akte,
die ich suchte, musste warten. Ich sammelte meinen Kram ein, einschließlich meiner Memoranden, und berechnete im Kopf meinen heutigen Verdienst bei dreihundert Dollar die Stunde, wobei ich immerhin auf die hübsche Summe von zweitausendvierhundert Dollar kam. Das konnte durchaus mit dem gesamten bisherigen Monatsverdienst meiner jungen Anwaltskanzlei mithalten.
Als ich gerade gehen wollte, klingelte das Telefon. Ich hatte den altmodischen schwarzen Apparat am Rand meines Schreibtischs bisher kaum bemerkt.
»Mr. Kolarich?« Die Stimme einer Frau. »Mr. Cimino möchte Sie morgen Vormittag um zehn Uhr sprechen.«
20
Pünktlich um zehn Uhr traf ich in der Lobby von Charlie Ciminos Bürogebäude ein. Ich kaufte mir ein Päckchen Kaugummi und blätterte etwa fünfzehn, zwanzig Minuten lang in einer Zeitung. Dann nahm ich den Aufzug nach oben.
Fragen Sie mich nicht, warum ich so was tue. Schließlich bestand der einzige Grund, diesen Job bei der BBK anzunehmen, darin, hinter die Kulissen blicken zu können und etwas über die Morde an Adalbert Wozniak und Ernesto Ramirez herauszufinden. Angesichts einer solchen Mission sollte man eigentlich annehmen, dass ich mich mit Leuten wie Cimino gutstellen würde. Aber der Kerl gefiel mir nicht, und ich mochte die Art nicht, wie er mich in seinem Büro antanzen
ließ, also beschloss ich, dass eine kleine Unpünktlichkeit angemessen war.
Wenigstens durfte ich wieder dem Bademoden-Model den Flur hinunter zu seinem Büro folgen, was mich für die Anreise entschädigte.
»Sie sind zu spät.« Cimino trug wie üblich sein Headset und stand am anderen Ende seines Büros mit den Ausmaßen eines Flugzeughangars. Dann quasselte er wieder in das Mikro des Headsets, irgendwas über einen Vertragspartner, der den Zeitplan nicht einhielt. Ich ließ mich in einen Stuhl fallen und wartete darauf, dass dieses Arschloch seinen Versuch beendete, mich, den Kerl am anderen Ende und sich selbst zu beeindrucken.
»Der Busauftrag«, bellte Cimino. »Hey, der Busauftrag.« Ich brauchte einen Moment, bis mir klar wurde, dass er mit mir sprach. »Der Busauftrag? Das Erziehungsministerium? Eine Sekunde, Henry.« Er schnipste mit den Fingern in meine Richtung. »Kolarich …«
»Der Busauftrag, richtig.« Einer der Aufträge, die ich zu beurteilen hatte, betraf die Beschaffung von Schulbussen und Bussen mit Rollstuhllift für das staatliche Erziehungsministerium.
»Das ist ein Alleinbieter«, sagte er, bevor er sich wieder zum Fenster umdrehte. »Ich geb einen Scheiß auf den Vorvertrag. Sobald ich die Citybank als Pächter habe, geht die
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