Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust
ein Ende gefunden und mir angeboten hatte, auf all meine Fragen zu antworten – wobei ich zu seiner offenkundigen Enttäuschung keine hatte –, erklärte er mir, er sei »sehr beschäftigt » und müsse »jetzt wirklich dringend los«, ganz so, als ob ich ihn in irgendeiner Form aufgehalten hätte. Dann rauschte er aus meinem Büro.
Es war mein Büro, obwohl es ursprünglich wohl für zwei vorgesehen gewesen war. Es gab zwei Schreibtische, fünf Aktenschränke, ein kleines Fenster, das auf ein weiteres Gebäude blickte, sowie einen gelblichen Heizkörper, von dem die Farbe abblätterte und der mehr keuchte und zischte als Wärme abgab.
»Oh, und noch was«, sagte Lemke, der zurück in mein Büro gehastet kam und mich mit seiner hohen kreischenden Stimme zu Tode erschreckte. »Nichts verlässt dieses Büro. Sie dürfen keine Dokumente mit nach draußen nehmen. Und keine E-Mails senden.«
»Keine E-Mails? Ich dachte, wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert.«
Patrick schien keinerlei Sinn für Humor zu besitzen. Er starrte an die Wand und sagte: »Mailen Sie keine Dokumente und verschicken Sie keine wichtigen Informationen. Sie könnten von einem Hacker abgefangen werden. Okay, und jetzt muss ich wirklich los. Ach, haben Sie eigentlich schon Ihren Ausweis? Sie brauchen einen Ausweis, um das Gebäude zu betreten und zu verlassen …«
»Ich habe meinen Ausweis.«
»Sie haben Ihren Ausweis, gut, ausgezeichnet. Ich komme jetzt wirklich zu spät, wenn …«
Und fort war er. Man hatte mir fünf Angebote überlassen,
die ich bis zum Meeting nächste Woche bearbeiten sollte. Ich überschlug die Zeit, die es mich kosten würde, die ganzen Details durchzugehen, multiplizierte sie mit der zu erwartenden Langeweile dieser Tätigkeit, und erhielt als Resultat bösartige Kopfschmerzen und zahllose Tassen Kaffee. Ich hatte ein klares Motiv für dieses Unterfangen, und es war nicht das Geld; doch wenn ich es recht bedachte, war es ein ziemlicher Schuss ins Blaue und äußerst fraglich, ob es mir auch nur den geringsten Hinweis darauf liefern würde, wer Ernesto Ramirez getötet hatte. Nun, wenigstens würde ich als Rechtsanwalt arbeiten und ein paar Dollar verdienen …
»Oh, und hören Sie laute Musik?«
»Himmel, Patrick.« Ich wandte den Blick von dem Karton, den ich gerade ausräumte, in Richtung Tür. Dieser Kerl war so flink unterwegs, dass man nicht mal seine Schritte hörte. »Ob ich …«
»Die anderen mögen es nicht, wenn man zu laute Musik spielt. Nur für den Fall, dass Sie eine Stereoanlage haben oder so was.« Er starrte auf den Teppichboden.
»Ich werde überhaupt keine Musik hören.«
»Nein, sie dürfen schon Musik hören, nur nicht so laut.«
»Ich summe nur ein bisschen vor mich hin.«
»Okay, also, ich muss jetzt los.«
Ich wartete geduldig mit gefalteten Händen und leise summend auf Patricks Rückkehr. Diesmal dauerte es drei Minuten.
»Oh, und das ist jetzt wirklich das letzte Mal, es sei denn, Sie haben noch irgendwelche Fragen.«
»Ich habe tatsächlich eine Frage«, sagte ich zu seiner Verblüffung. Sein Gesicht erhellte sich. Er blickte sogar für eine Sekunde zu mir auf. Eine Frage!
»Wie weit reichen die Akten der BBK zurück?«, wollte ich wissen.
»Okay. Der Gouverneur hat diese Kommission gegründet, als er vor einem Jahr sein Amt antrat. Beziehungsweise hat er damit bereits als Vizegouverneur begonnen, aber die BBK dann fortgeführt …«
»Patrick. Ich hab mich nur gefragt, ob ich wohl Zugang zu älteren Dokumenten haben kann, falls ich mich mal auf frühere Urteile beziehen muss. Dokumente aus der Zeit beispielsweise, als die BBK noch über das Büro des Vizegouverneurs lief.«
»Oh, klar, kein Problem. Ich kann Ihnen zeigen, wo Sie nachschauen müssen, es ist in einem dieser Schränke dort. Die Originalunterlagen, meine ich, aber es ist auch alles online verfügbar, doch jetzt muss ich wirklich los.«
»Klar. Wir können später darüber reden.«
»Okay. Ausgezeichnet.«
Ich war mir nicht sicher, ob Patrick endgültig verschwunden war; und ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass ich es bei diesem Job auch niemals mit Bestimmtheit wissen würde. Ich erwog kurz, die Tür zu schließen, um ungestört zu sein, aber es war mein erster Tag, und alle anderen Büros hatten die Türen geöffnet, also war das vermutlich keine gute Idee.
Nachdem ich Patrick zehn Minuten gegeben hatte, um erneut unvermutet hereinzufegen, begann ich die archivierten Unterlagen nach dem Auftrag zu
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