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Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust

Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust

Titel: Die Anklage - Ellis, D: Anklage - Breach of Trust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ellis
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sicher, wo sie mich ursprünglich hatte hindirigieren wollen – in ihr Büro vermutlich –, jedenfalls schafften wir es nicht bis dorthin. Ihre Füße berührten dreißig Minuten lang nicht mehr den Boden. Das ganze aufgestaute Adrenalin dieses Abends explodierte in einer wahren
Testosteronlawine. Wir rissen und zerrten aneinander, kratzen und bissen wie wilde Tiere.
    Irgendwann legten wir eine kurze Pause ein, holten uns einen Becher Wasser aus dem Trinkwasserbehälter, klopften ein paar lockere Sprüche und gingen dann hinter in ihr großes Büro für die zweite Runde. Ich brauchte ein paar Minuten, um die Akkus wieder aufzuladen, aber in der Zwischenzeit nutzten wir die vielen anderen Arten, sich die Zeit zu vertreiben, und ich versuchte einfach, mich dabei nicht unnötig zu verausgaben. Beispielsweise hatten wir immer noch die Hälfte unserer Kleider an, und da musste natürlich Abhilfe geschaffen werden. Es gab einen großen Konferenztisch, der mit Dokumenten übersät war, jedoch eine gute Liegefläche abgeben würde. Also räumte ich ihn frei, so sorgfältig ich es vermochte. Ich überließ ihr fraglos die Initiative, denn sie führte mich an Orte, wo ich noch nie zuvor gewesen war. Und auch diesmal genoss ich es in vollen Zügen, auch wenn ich bei dem Spielchen mit dem Megafon mein Veto einlegte.
    »Ich meine es ernst mit dem Jobangebot«, sagte sie, als ich ging. Eines musste man ihr lassen: Sie hatte mich keine Sekunde mehr als die versprochenen sechzig Minuten in Anspruch genommen.

    Den Akten zufolge war Frederico »Kiko« Hurtado seit dem zarten Alter von zwölf Jahren Mitglied der Latin-Lord-Straßengang. Der Vater war unbekannt. Die Mutter verstorben. Er hatte einen Bruder, dessen Aufenthaltsort momentan nicht zu ermitteln war. Keine Frau und keine Kinder; jedenfalls keine, von denen wir gewusst hätten.
    Kiko hatten seinen ersten Mord mit dreizehn begangen.
Den zweiten dann mit sechzehn. Und nach allem, was man sich so erzählte, folgten in den Jahren darauf rund zwanzig weitere. Hinzu kamen zählreiche Fälle von schwerer Körperverletzung und Vergewaltigung. Trotzdem war er die meiste Zeit auf freiem Fuß. Zeugen erlitten plötzlich massiven Gedächtnisschwund, wenn Kiko der Verdächtige war. Andere starben bei tragischen Unfällen.
    Kiko war einfallsreich, er war skrupellos, und er war gerissen. Diese drei Eigenschaften hatten ihm den Weg geebnet. So verdankte er seine gegenwärtige Position als rechte Hand des Anführers höchstwahrscheinlich dem Umstand, dass er seinen Vorgänger ausgeschaltet hatte. Die Legende wollte es, dass er ihn mit einem gewöhnlichen Küchenmesser geköpft hatte.
    Mittlerweile im reifen Alter von siebenundzwanzig, zumindest nach meinen Schätzungen – wobei es schon eine Weile her war, dass ich als Staatsanwalt gegen Gang-Kriminalität ermittelt hatte –, gehörte Kiko inzwischen fest zur Führungsriege der Latin Lords. Er war der Mann fürs Grobe. Wenn beispielsweise jemand aus der Reihe tanzte, dann fand Kiko das richtige Mittel, ihn zurückzupfeifen – sofern er ihn nicht gleich ganz aus dem Verkehr zog.
    Daher war es kein Wunder, dass der Kerl in der Gasse, Scarface, nicht mit dieser Geschichte in Verbindung gebracht werden wollte, wenn Kiko mit im Spiel war. Und noch weniger verwunderlich war, dass er sich nach Ernestos Tod nicht gemeldet hatte. Ebenso gut hätte er sich gleich eine Pistole an die Schläfe setzen können.
    Was allerdings überraschend war – vorausgesetzt, dass alles noch so lief wie früher –, war, dass Kiko noch persönlich die Dreckarbeit erledigt hatte. Normalerweise überließen die Gangs die schweren Straftaten dem Nachwuchs, weil
dieser nicht so leicht zu verurteilen und einzusperren war. Zwar senkte der Staat beständig die Altersgrenze für volle Strafmündigkeit – und verurteilte Minderjährige inzwischen nach Erwachsenenrecht –, doch die Gangs reagierten darauf, indem sie einfach immer jüngere Killer anheuerten. Wenn Kiko also den Auftrag erhielt, jemanden auszuschalten, würde er ihn mittlerweile wohl eher delegieren, statt ihn selbst auszuführen.
    Offensichtlich handelte es sich demnach um eine Ausnahme. Vermutlich verdiente Joey Espinoza eine solche Ehre. Keine Ahnung, ob Espinoza Kiko persönlich kannte, aber es hätte mich nicht überrascht. Er stand der Straße viel näher als sein Boss Hector. Er hatte zugegeben, Mitglieder der Cannibals zu kennen, sogar ihren obersten Anführer, Yo-Yo. Daher hätte es mich keineswegs

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