Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ankunft

Die Ankunft

Titel: Die Ankunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
Vom Netzwerk:
zu genau, wie die Offiziellen an der Grenze die gotischen Flüchtlinge bis aufs Mark ausgepresst und gedemütigt hatten, anstatt die Befehle des Kaisers getreulich auszuführen. Hier lag die Wurzel allen Übels, und es machte die Sache nicht einfacher, dass die Goten zweimal Opfer gewesen waren: Erst waren sie vor diesem fernen Feind im Osten geflohen und dann waren sie von den Römern betrogen worden.
»Weißt du, Zenturio, als die Römer zwei meiner Schwester als Sklavinnen verlangten, damit ich genug Fleisch bekam, um meine anderen Geschwister einen weiteren Tag zu ernähren, da habe ich langsam ein gutes Bild der römischen Lebensart gewonnen.«
»Nicht alle Römer sind so.«
»Nein, nein, natürlich nicht. Du bist nicht so, oder?«
»Ich habe derlei nie getan.«
»Als Offizier der kaiserlichen Leibgarde bist du mit solcherlei Profanität sicher niemals in Berührung gekommen.«
»Und du sprichst ein sehr gutes Griechisch. Ich habe den Eindruck, dass du durchaus in den Genuss von Bildung gekommen bist. Hast du da nicht verstanden, dass es auch anders geht und andere gibt?«
Godegisel nickte bekümmert. »Ja, das habe ich, und daher war ich voller Hoffnung, als Fritigern und Alarich das Schicksal unseres Volkes in die Hände des deinen legten. So voller Hoffnung. Und dann das. Gefiel mir nicht, Zenturio, gefiel mir nicht.«
»Gib dem Kaiser Geleit, und das Unrecht soll wieder gut gemacht werden«, forderte Alchimio.
»Meine Schwestern waren dreizehn und vierzehn, Zenturio. Wie viele römische Schwänze haben sie mittlerweile gegen ihren Willen in sich aufnehmen müssen? Ein Dutzend? Zwei Dutzend? Hunderte?«
Alchimio wusste nicht, was er auf diese Frage antworten sollte, und so blieb er stumm. Für eine Weile schauten sich die beiden Männer schweigend an. Dann seufzte der Gote.
»Ach weißt du, Römer, ich bin heute des Kämpfens müde. Meine Männer sind gleichfalls erschöpft.«
»Dann lass uns den Kampf verhindern.«
Godegisel schüttelte bedauernd den Kopf. Dann maß er den Römer mit einem langen Blick, eher er sagte:
»So einfach ist das nicht, Zenturio, so einfach ist das nicht.«
Alchimio sah das Schwert gar nicht kommen, das ihn niederstreckte. Godegisel hatte die Klinge von seinem Pferd aus in einer fließenden Bewegung geschleudert, wie einen Wurfdolch, und gut getroffen. Der Zenturio sackte in sich zusammen, und während er fiel, sah er noch, wie auf Geheiß des Adligen ein erster Schwarm von brennenden Pfeilen auf das Gehöft niederging.
Dann brach sein Blick.

17

    »Herr Kapitän, wir haben da ein Problem.«
Rheinberg sah auf und blickte in Beckers Gesicht. Die Tatsache, dass dieser lächelte, ließ ihn sofort entspannen. Es war hier anstrengend genug. Das großzügige Atrium des Hauses bot Platz für insgesamt rund 120 Gäste. Genau diese Zahl hatte Navarch Renna in das Haus des Stadtsenators Urianus eingeladen. Nach Rheinbergs Schätzungen waren aber deutlich mehr erschienen. Er hatte längst den größten Teil der Namen vergessen, die man ihm vorgebetet hatte, und er war in den letzten drei Stunden herumgereicht worden wie ein Beutestück aus einem exotischen Land. An nur wenige Gesichter konnte er sich erinnern: an das des gravitätisch auftretenden Symmachus, der ihn zu einem Vier-Augen-Gespräch eingeladen hatte – »später, wenn wir etwas Ruhe haben!«, waren seine Worte gewesen –, und an das des Senators Marcus Flavius, dessen Sohn er gerettet hatte und der ihm dafür ausgesprochen dankbar war. Als Rheinberg zu Ohren gekommen war, dass der Jüngling des Senators einziger Sohn war, erschien die beredete Dankbarkeit des alten Mannes weniger albern als zu Beginn.
»Was hast du für ein Problem, Jonas?«
»Das Essen hier ist ungenießbar. Ich habe mit Volkert geredet und mit Neumann, und … Ah, da kommt Hans.«
Der Marinearzt pflügte sich langsam, höflich, dennoch bestimmt seinen Weg durch die Menge an Gästen, die entweder zum Essen in römischer Sitte auf Sofas lagen oder mit Tellern und Gläsern in der Hand herumstanden.
»Hans, was ist mit dem Essen?«
Neumann schnaufte.
»Das Zeugs ist doch alles verdorben! Ich habe was von dem Schweinebraten versucht – der ist gut durch, stand aber definitiv zu lange in der Sonne!«
Rheinberg selbst hatte noch keine Zeit gefunden, den dargebotenen Speisen zuzusprechen und hörte sich Neumanns Schilderung mit hochgezogenen Augenbrauen an.
»Verdorben? Im Ernst? Das kann ich mir gar nicht vorstellen!«
»Und diese Paste, die zu allem gereicht wird

Weitere Kostenlose Bücher