Die Anstalt
etwas taugte?
»Du hast Recht, Francis. Das hättest du nicht tun können.«
Ich hatte mich in eine Ecke des Wohnzimmers verkrochen und an die Wand gekauert und starrte zu meinen Worten hinüber, als ich Peter reden hörte. Ich war unendlich erleichtert und drehte mich nach ihm um.
»Peter?«, antwortete ich. »Du bist zurück?«
»Ich war gar nicht weg. Ich war die ganze Zeit hier.«
»Der Engel war hier. Ich hab ihn gespürt.«
»Er kommt wieder. Er ist nah, Francis. Er wird noch näher kommen.«
»Er tut das, was er damals getan hat.«
»Ich weiß, C-Bird. Aber diesmal bist du gewappnet. Ich weiß, dass du es bist.«
»Hilf mir, Peter«, flüsterte ich. Ich fühlte, wie mir die Tränen in den Augen brannten.
»Ach, C-Bird, diesmal ist es dein Kampf.«
»Ich hab Angst, Peter.«
»Natürlich hast du Angst«, sagte er in diesem sachlich nüchternen Ton, den er zuweilen anschlug, aber immer unvoreingenommen. »Aber das heißt nicht, dass es hoffnungslos ist. Es heißt nur, dass du auf der Hut sein musst. Genau wie das letzte Mal. Daran hat sich nichts geändert. Beim ersten Mal war deine Vorsicht der Schwachpunkt, oder?«
Ich blieb in meiner Ecke, während meine Blicke durchs Zimmer huschten. Er musste mich gesehen haben, denn als ich ihn erspähte, wie er mir gegenüber an der Wand lehnte, winkte er mir kaum merklich mit der Hand zu und brach in das gewohnte Grinsen aus. Ich sah, dass er einen leuchtend orangefarbenen Overall trug, der jedoch vom langen Gebrauch verblasst und zerrissen und zerschlissen und dreckverschmiert war. Er hielt einen glänzenden Silberhelm in den Händen, und sein Gesicht war von Ruß und Asche und Schweiß verschmiert. Er musste gesehen haben, wie ich ihn anstarrte, denn er lachte ein wenig, winkte mit der Hand und schüttelte den Kopf.
»Entschuldige meine Erscheinung, C-Bird.«
Ich fand, dass er ein wenig älter aussah, als ich ihn in Erinnerung hatte, und hinter seinem Grinsen sah ich einige Kerben, die Verletzungen und harte Erfahrungen eingegraben hatten. »Alles in Ordnung, Peter?«, fragte ich.
»Klar, Francis. Ist nur, dass ich ’ne Menge durchgemacht hab. So wie du. Wir tragen immer die Klamotten, in die uns das Schicksal steckt, stimmt’s, C-Bird?«
Er drehte sich zur Wand um und las die Schriftspalten von oben nach unten. Er nickte zustimmend. »Du kommst gut voran«, sagte er.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Mit jedem Wort, das ich hinschreibe, scheint der Raum dunkler zu werden.«
Peter seufzte, als wollte er sagen, er hätte das geahnt. »Wir haben schon eine Menge Dunkelheit gesehen, was, Francis? Und einiges davon zusammen. Das schreibst du auf. Vergiss nur nicht, dass du dort nicht allein warst, wir waren bei dir und sind es jetzt auch. Wirst du das bitte nicht vergessen, C-Bird?«
»Ich werd’s versuchen.«
»An dem Tag wurde die Sache ein bisschen kompliziert, nicht wahr?«
»Ja, für uns beide. Und dadurch auch für Lucy.«
»Lass nichts aus, Francis«, sagte er.
Ich blickte zur Wand hinüber und sah, wo ich aufgehört hatte. Als ich mich wieder zu Peter umdrehte, war er verschwunden.
20
V on Peter kam der Vorschlag, dass Lucy parallel in zwei Richtungen weiterarbeiten sollte. Zum einen musste sie, wie er betonte, unbedingt weiter Patienten befragen. Auf gar keinen Fall durfte irgendjemand unter den Patienten oder den Mitarbeitern erfahren, dass sie ein Beweisstück entdeckt hatten, da keiner von ihnen vorerst eine klare Vorstellung davon hatte, was das zu bedeuten hatte und in welche Richtung es wies. Falls es doch durchsickerte, würde die Situation außer Kontrolle geraten. Dies gehörte nun einmal zu den besonderen Gesetzen, die in der labilen Welt der Heilanstalt herrschten, erklärte er ihr. Es sei nicht abzusehen, wie viel Unruhe, ja sogar Panik, eine solche Nachricht unter den leicht beeinflussbaren Klinikinsassen auslösen könnte. Dies bedeutete unter anderem, dass das blutige T-Shirt dort zu bleiben hatte, wo es war, und dass keine Institution von außen eingeschaltet werden durfte, schon gar nicht die örtlichen Polizisten, die Lanky verhaftet hatten, selbst wenn dies das Risiko einschloss, das T-Shirt im Lauf ihrer Ermittlungsarbeit als Beweisstück zu verlieren. Und die Leute im Amherst, fügte er hinzu, gewöhnten sich allmählich an den stetigen Strom von Patienten, die, von Big Black geführt, aus den anderen Gebäuden herüberkamen, um von Lucy befragt zu werden, und vielleicht gäbe es eine Möglichkeit, diese
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