Die Anstalt
zeigen? Das ist nicht fair.«
Francis rutschte wieder in seinem Rollstuhl hin und her und zerrte an den Fesseln. Er merkte, wie es im Zimmer wärmer wurde, als wäre die Heizung plötzlich hochgeschnellt. Einen Moment lang spannte er sich mächtig an und versuchte, sich zu befreien, doch es nützte nichts. Er holte tief Luft und sackte auf den Sitz zurück.
»Sie sind erregt?«, fragte der Doktor, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten. Die Antwort auf diese Frage erübrigte sich, da die Wahrheit so offensichtlich war.
»Es ist einfach nicht fair«, sagte Francis und versuchte, seinen eigenen Worten wieder Ruhe einzuflößen.
»Fairness ist Ihnen wichtig, ja?«
»Ja, selbstverständlich.«
»Ja, vielleicht haben Sie da Recht, Mr. Petrel.«
Erneut herrschte Schweigen zwischen den beiden Männern. Francis hörte wieder das Zischen des Heizkörpers und dachte auf einmal, es könnte auch der Atem der beiden Pfleger sein, die das ganze Gespräch hindurch nicht von seinem Rücken gewichen waren. Dann überlegte er, ob vielleicht eine seiner Stimmen gerade versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erringen und nur so leise flüsterte, dass er es schlecht hören konnte. Also beugte er sich ein wenig vor, um sich darauf zu konzentrieren.
»Werden Sie oft ungeduldig, wenn Ihnen etwas nicht passt, Mr. Petrel?«
»Wird das nicht jeder?«
»Finden Sie, dass Sie Menschen wehtun sollten, wenn etwas nicht so läuft, wie Sie es gerne hätten?«
»Nein.«
»Aber Sie werden wütend?«
»Jeder wird ab und zu wütend.«
»Also, da muss ich Ihnen nun wirklich Recht geben, Mr. Petrel. Allerdings fragt es sich, wie wir reagieren, wenn wir merken, dass in uns die Wut hochkommt, nicht wahr? Ich bin der Meinung, wir sollten noch einmal reden.« Der Doktor lehnte sich vor, um mit seinem Gebaren ein wenig Vertraulichkeit zum Ausdruck zu bringen. »Ja, ich glaube wirklich, dass weitere Gespräche angebracht wären. Ist das für Sie akzeptabel, Mr. Petrel?«
Er antwortete nicht. Es war irgendwie so, als wäre die Stimme des Doktors in den Hintergrund getreten, als hätte irgendetwas den Ton leiser gestellt oder als würden seine Worte über eine große Entfernung gesendet.
»Darf ich Sie Francis nennen?«, fragte der Arzt.
Wieder antwortete er nicht. Er traute seiner Stimme nicht, denn sie vermischte sich jetzt mit einer Aufwallung von Emotionen in seiner Brust.
Dr. Gulptilil beobachtete ihn einen Moment lang und fragte dann: »Sagen Sie, Francis, was war es noch, das ich Sie vorhin während unseres Gesprächs bat, sich zu merken?«
Diese Frage schien ihn wieder ins Zimmer zurückzuversetzen. Er sah zu Dr. Gulptilil auf, der ihn mit einem verstohlen neugierigen Blick betrachtete. »Wie?«
»Ich habe Sie gebeten, sich etwas ins Gedächtnis zu rufen.«
»Ich kann mich nicht entsinnen«, antwortete Francis barsch.
Der Arzt nickte ein wenig. »Aber was für einen Wochentag wir haben, vielleicht können Sie mir da auf die Sprünge helfen …«
»Welchen Tag?«
»Ja.«
»Ist das wichtig?«
»Tun wir einfach mal so.«
»Sind Sie sicher, dass Sie mich das schon mal gefragt haben?«, hakte Francis nach, um Zeit zu gewinnen. Doch diese schlichte Tatsache schien auf einmal nebulös in seinem Innern verborgen.
»Ja«, sagte Dr. Gulptilil. »Ich bin mir ganz sicher. Welchen Tag haben wir?«
Francis zermarterte sich das Hirn, kämpfte gegen die Angst an, die abrupt alle anderen Gedanken überschwemmte. Wieder legte er eine Pause ein und hoffte, dass ihm eine seiner Stimmen zu Hilfe käme, doch wieder waren sie verstummt.
»Ich glaube, es ist Samstag«, sagte Francis vorsichtig, zaghaft und langsam.
»Sind Sie sicher?«
»Ja.« Doch das Wort kam ihm mit wenig Überzeugungskraft über die Lippen.
»Erinnern Sie sich nicht, dass ich Ihnen vor Kurzem sagte, dass es Mittwoch ist?«
»Nein. Das wäre falsch. Es ist Samstag.« Francis merkte, wie sich ihm der Kopf zu drehen begann, als ob ihn die Fragen des Doktors zwängen, in endlos konzentrischen Kreisen zu laufen.
»Ich glaube nicht«, sagte der Arzt. »Aber das ist nicht von Belang. Sie werden für einige Zeit bei uns bleiben, Francis, und wir werden noch Gelegenheit haben, über diese Dinge zu reden. Ich bin sicher, dass Sie sich so etwas in Zukunft besser merken können.«
»Ich will aber nicht bleiben«, entgegnete Francis hastig. Er merkte, wie ihn ein Gefühl der Panik erfasste, in das sich Verzweiflung mischte. »Ich möchte nach Hause. Ich glaube wirklich, sie erwarten mich,
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