Die Anstalt
würde.
Er wusste, dass er das Angebot der Kirche, wie immer es auch beschaffen war, akzeptieren musste.
Er sah sich um, betrachtete nachdenklich jeden Patienten, der an ihm vorbei zur Pflegestation drängte, und starrte auf die hinter dem Eisengitter aufgereihten Medikamente.
Einer von ihnen war ein Killer. Das wusste er.
Vielleicht war ja auch einer, der sich zur gleichen Zeit drüben im Williams oder Princeton oder Harvard anstellte und demselben Zeitplan folgte, der Killer.
Aber wie sollte man ihn herausfischen?
Er bemühte sich, den Fall wie eine Brandstiftung zu betrachten. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und versuchte zu erkennen, wo es angefangen hatte, weil er daraus Rückschlüsse darauf ziehen konnte, wie es in Gang gekommen war, sich voll entfaltet hatte und am Ende explodiert war. So ging er an jeden Brandort, an den er gerufen wurde, heran; arbeitete sich rückwärts bis zum ersten Aufflackern einer Flamme durch, und dann wusste er nicht nur, wie es zu dem Feuer gekommen war, sondern auch, wer dort stand und zusah. Vermutlich war das eine seltsame Gabe. In längst vergangenen Zeiten umgaben sich Könige und Prinzen mit Leuten, die angeblich in die Zukunft sehen konnten. Schade um die Zeit und das Geld, da man nur die Vergangenheit richtig verstehen musste, um zu wissen, was vor einem lag.
Peter atmete tief durch. Die Klinik brachte einen dazu, bei all den Gedanken zu verweilen, die in einem widerhallten. Er hielt mitten in seinen Überlegungen inne, als er merkte, dass er bei seinen Selbstgesprächen die Lippen bewegt hatte.
Wieder atmete er tief durch. Dicht dran. Redest schon mit dir selbst.
Er betrachtete seine Hände, und das nur, um sich zu versichern, dass er noch in Ordnung war. Bloß raus hier, sagte er sich. Egal, was es kostet, bloß raus.
Doch als er gerade zu dem Entschluss gekommen war, sah er, wie Lucy Jones den Flur betrat. Sie hatte den Kopf gesenkt, und er merkte, dass sie sowohl verärgert als auch tief in Gedanken war. Und in dieser Sekunde sah er eine Zukunft, die ihm Angst einjagte und ihn mit einem leeren, hilflosen Gefühl zurückließ. Er würde einen Abgang machen und zu irgendeinem Programm in Oregon verschwinden. Sie würde einen Abgang machen und in ihr Büro zurückkehren, um ein Verbrechen nach dem anderen zu bearbeiten. Francis blieb zurück, bei Napoleon, Cleo und den Moses-Brüdern.
Lanky käme in den Knast.
Und der Engel würde von jemand anderem die Fingerkuppen abschneiden.
26
F rancis verbrachte eine unruhige Nacht, indem er meist stocksteif in seinem Bett lag und auf jedes Geräusch im Schlafsaal achtete, das aus dem Rahmen fiel und die Rückkehr des Engels an sein Bett signalisieren konnte. Dutzende solcher Geräusche drangen an seinen zugekniffenen Augen vorbei und hallten in ihm wie sein eigener Herzschlag nach. Viele Male glaubte er, den heißen Atem des Engels an seiner Stirn zu spüren, und die Erinnerung an die kalte Klinge war noch gegenwärtig. Selbst in den wenigen Momenten, in denen er aus seinen nächtlichen Ängsten in einen leichten Schlaf hinüberglitt, störten erschreckende Bilder seine Ruhe. Er stellte sich vor, wie Lucy ihre Hand hochhielt, verstümmelt wie die von Short Blond. Dann verschwamm das Bild und verwandelte sich in sein eigenes, und er hatte das Gefühl, als würde ihm die Kehle aufgeschlitzt, und in seinem dumpfen Zustand versuchte er verzweifelt, die klaffende Wunde zusammenzuhalten.
Er hieß das erste Morgenlicht willkommen, das durch die Metallgitter und -roste der Fenster drang, ein Zeichen dafür, dass die Stunden, in denen der Engel von der Anstalt Besitz ergriff, vorüber waren. Einen Moment lang blieb er auf seinem Bett liegen und hing dem absolut bizarren Gedanken nach, der unausgegorenen fixen Idee, es sei eigentlich nicht gerechtfertigt, dass die Patienten in der Anstalt dieselbe Todesangst hatten wie die Gesunden jenseits der Mauer. Drinnen schien das Leben weitaus dürftiger zu sein und hatte nicht denselben Stellenwert wie draußen. Es war, dachte er, als wären sie nicht ganz so wertvoll wie die anderen und sollten ihr Leben nicht ganz so hoch einschätzen.
Francis ging in den Waschraum und machte sich frisch. Die vertrauten Abläufe des Kliniklebens hatten etwas Tröstliches; Little Black und sein riesiger Bruder waren draußen im Flur und versuchten, die Patienten zum Frühstück in den Speisesaal zu bugsieren, so wie ein Mechanikerteam an einem Motor herumarbeitet, damit er anspringt und zu
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