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Die Anstalt

Die Anstalt

Titel: Die Anstalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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laufen beginnt. Er sah, wie Mr. Evil durch den Flur marschierte und sämtliche flehentlichen Bitten zu diesem oder jenem Problem geflissentlich ignorierte. Francis lechzte nach Routine.
    Doch im selben Moment, als ihm dieser Gedanke kam, flößte er ihm Furcht ein.
    Eben dieser Routine war es zu verdanken, dass einem die Tage durch die Finger glitten. Die Anstalt mit ihrem zwanghaften Bestreben, die Zeit totzuschlagen, war wie eine noch wirkungsvollere Droge als diejenigen, die als Pillen oder Spritzen verabreicht wurden. Mit der Sucht kam das Vergessen.
    Francis schüttelte den Kopf, denn eines war ihm klar: Der Engel stand der Außenwelt viel näher, und Francis fürchtete, dass er genau diesen Steilhang zu erklimmen hatte, wollte er diese Welt je wiedersehen. Short Blonds Mörder zu finden, überlegte er, war vielleiht die einzige »normale« Tat, die ihm übrig blieb.
    In seinem Kopf bildeten seine Stimmen ein wirres Durcheinander. Sie versuchten eindeutig, ihm etwas mitzuteilen, doch es war, als könnten sie sich nicht darauf einigen, was.
    Eine Warnung drang allerdings durch. Alle Stimmen waren sich darin einig, dass er, falls er allein zurückblieb, um sich ohne Peter und Lucy dem Engel zu stellen, höchstwahrscheinlich nicht überleben würde. Er wusste zwar nicht, wie er sterben würde oder wann genau. Zu irgendeinem Zeitpunkt im Terminkalender des Engels. In seinem Bett ermordet. Wie der Tänzer erstickt oder wie Short Blond mit aufgeschlitzter Gurgel oder auch auf ganz andere Weise, die ihm noch nicht in den Sinn gekommen war. Doch es würde passieren.
    Es gab kein Versteck für ihn, außer vielleicht in einen noch tieferen Wahn zu verfallen, der das Klinikpersonal zwang, ihn jeden Tag und für vierundzwanzig Stunden in einer der Isolierzellen einzusperren.
    Er sah sich nach seinen beiden Mitstreitern um und dachte zum ersten Mal, dass es Zeit für ihn war, die Fragen zu beantworten, vor die sie der Engel fortwährend stellte.
    Francis sackte gegen die Wand.
Es ist da! Es ist direkt vor deinen Augen!
Er blickte auf und sah Cleo mit Volldampf zwischen den Patienten hindurchpflügen wie ein großes, graues Schlachtschiff durch eine verängstigte Segelregatta. Was immer sie an diesem Morgen beunruhigen mochte, ging in einer Salve Obszönitäten unter, die sie im Takt zu ihren wild schwingenden Armen murmelte, so dass jedes »Gottverdammt!« und »Scheißkerle!« und »Arschlöcher!« an das Ticken einer Uhr erinnerte. Die Leute, an denen sie vorbeirauschte, traten zur Seite, und in dieser Sekunde sah Francis etwas deutlich vor Augen
. Der Engel versteht sich nicht darauf, anders zu sein, er versteht sich darauf, genau wie die anderen zu sein.
    Als er Cleo nachsah, entdeckte er Peter. Fireman schien in einen hitzigen Wortwechsel mit Mr. Evil vertieft, der mehrfach den Kopf schüttelte, während Peter dem Psychologen zuerst näher auf die Pelle rückte und sich dann wieder von ihm entfernte. Nach einer Weile schien Mr. Evil das, was Peter ihm zu sagen hatte, als lästig oder falsch abzutun, denn er machte auf dem Absatz kehrt und rauschte den Flur entlang zurück. Peter, den er einfach stehen ließ, erhob die Stimme und rief Mr. Evil hinterher: »Sie müssen es Gulptilil sagen! Und zwar noch heute.« Dann war er still. Mr. Evil kehrte ihm weiterhin den Rücken, wie um zu zeigen, dass er Peter einfach überhörte. Francis löste sich von der Wand und lief rasch zu Fireman hinüber.
    »Peter?«, fragte Francis.
    »Hey, C-Bird«, antwortete Peter und sah ein bisschen wie jemand zu ihm auf, der mitten im Satz unterbrochen wurde. »Was gibt’s?«
    Francis flüsterte. »Peter, wenn du dir uns so anschaust, die übrigen Patienten hier, was siehst du da?«
    Er zögerte, bevor er antwortete. »Ich weiß nicht, Francis. Es ist ein bisschen wie Alice im Wunderland. Alles
wird seltsamer und seltsamer.«
    »Aber du hast alle Spielarten von Geisteskrankheit gesehen, die es hier drinnen gibt, nicht wahr?«
    Peter überlegte und neigte sich plötzlich vor. Lucy kam durch den Flur, und Peter winkte ihr kurz zu, während er näher zu Francis herantrat. »C-Bird sieht etwas«, sagte er ruhig. »Worum geht’s?«
    »Der Mann, nach dem wir suchen«, flüsterte Francis, sobald Lucy nahe genug war, »ist nicht verrückter als du. Aber er versteckt sich, indem er vorgibt, etwas anderes zu sein.«
    »Rede weiter«, sagte Peter leise.
    »Sein ganzer Wahnsinn, zumindest der mörderische Wahnsinn und der Finger abschneidende Wahnsinn,

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