Die Anstalt
einmal Angst. Ihm schwirrte der Kopf, als ihm bewusst wurde, dass ausgerechnet er auf diese Frage gekommen war, und er merkte, wie in ihm eine Woge der Übelkeit hochstieg. Seine Stimmen hallten in ihm wider, sie warnten ihn, beschwatzten ihn, beschworen ihn, nicht in das Dunkel hinabzusteigen, das lockte.
Sie glauben, er hätte Short Blond getötet, weil er töten muss.
Er schnappte nach Luft.
Vielleicht ist es so. Vielleicht auch nicht.
Er hasste sich in dieser Sekunde mehr als je zuvor
. Du könntest auch ein Killer sein
, hörte Francis sich sagen. Einen Moment lang fürchtete er, dass er es laut gesagt hatte, doch niemand drehte sich um oder achtete auf ihn, und so vermutete er, dass er die Worte doch nicht ausgesprochen hatte.
Big Black war, von der monotonen Routine der Verhandlungen gelangweilt, hinausgegangen, um sich die Beine zu vertreten, und als er in den Raum zurückkam, unternahm Francis einen gewaltigen Kraftakt, die Angst zu verbergen, die ihm so zusetzte. Der riesige Pfleger warf sich auf den Stuhl neben Francis und flüsterte: »Also, C-Bird, bist du ihnen schon auf die Schliche gekommen? Genug gesehen?«
»Noch nicht ganz«, erwiderte Francis leise. Was er noch nicht gesehen hatte, war etwas, dem er mit banger Erwartung entgegenfieberte.
Big Black beugte sich vor und flüsterte: »Wir müssen ins Amherst zurück. Der Tag ist fast rum. Ziemlich bald werden sie dich vermissen. Heute Abend ’ne Therapie angesetzt?«
»Nein«, sagte Francis, auch wenn es halb gelogen war, denn in Wahrheit wusste er es nicht. »Mr. Evans hat sie nach all der Aufregung gestrichen.«
Big Black schüttelte den Kopf. »Die sollte er nicht streichen.« Er sprach mit Francis, doch seine Worte galten mehr der Welt der Nervenheilanstalt. Der Pfleger sah auf. »Also, C-Bird«, sagte er. »Wir müssen zurück. Gibt nur noch ein paar von diesen Verhandlungen. Da kommt nix mehr, was du nich’ schon gesehen hast.«
Francis wusste nicht, was er sagen sollte, weil er Big Black nicht die Wahrheit verraten wollte, nämlich dass eine dieser Verhandlungen sich gänzlich von den Übrigen unterscheiden würde. Er blickte durch den Raum.
Drei Patienten warteten noch. Alle miteinander waren sie in der Gruppe von Leuten leicht auszumachen. Sie waren einfach weniger gepflegt. Ihr Haar war entweder glatt oder gekräuselt und zerzaust. Ihre Kleider waren nicht so sauber. Sie trugen gestreifte Hosen zu karierten Hemden oder Sandalen mit zwei verschiedenen Socken. Nichts an ihnen schien so recht zu passen, weder das, was sie anhatten, noch die Art, wie sie das Verfahren beobachteten. Sie schienen alle einfach ein bisschen daneben. Ihre Hände zitterten, und sie konnten ein ständiges Zucken um die Mundwinkel nicht unterdrücken – Nebenwirkungen der verschiedenen Medikamente. Alle drei waren Männer, und Francis hätte ihr Alter auf dreißig bis fünfundvierzig geschätzt. Keiner von ihnen fiel besonders auf; sie waren nicht dick oder groß oder weißhaarig, noch hatten sie Narben oder Tattoos oder sonst etwas, wodurch sie sich von den anderen unterschieden. Sie konnten ihre Emotionen nach innen richten. Äußerlich waren sie völlig teilnahmslos, als hätten die Medikamente nicht nur ihre Geisteskrankheit abgeschliffen, sondern auch weitgehend ihren Namen und ihre Vergangenheit.
Keiner von ihnen hatte sich zur Seite gedreht und ihn angesehen, jedenfalls hatte er nichts dergleichen bemerkt. Sie waren stoisch, fast reglos geblieben und hatten geradeaus gestarrt, während ein Fall nach dem anderen verhandelt wurde. Er konnte ihre Gesichter nicht richtig erkennen, die er bestenfalls im Profil zu sehen bekam.
Ein Mann war von vielleicht vier Besuchern umringt. Francis tippte auf ein relativ altes Elternpaar und eine Schwester mit ihrem Mann, die allesamt auf ihren Stühlen herumrutschten und über die Situation nicht glücklich waren. Ein anderer Patient saß zwischen zwei Frauen, beide weitaus älter als er, und Francis klassifizierte sie als Mutter und Tante. Der dritte saß neben einem steifen älteren Mann im blauen Anzug mit strenger, unnachgiebiger Miene und einer viel jüngeren Frau, einer Schwester oder Nichte, wie Francis dachte, die kein bisschen eingeschüchtert wirkte und bei allem, was gesagt wurde, aufmerksam zuhörte, während sie sich gelegentlich auf einem gelben Block Notizen machte.
Der übergewichtige Richter schlug mit seinem Hämmerchen auf den Tisch. »Was liegt noch an?«, fragte er kurz angebunden. »Es wird
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