Die Apothekerin
verlegen.
»Ich habe bereits mehrmals gehört, daß es dir morgens schlecht war«, sagte Dieter in besorgtem und etwas anzüglichem Ton. Er preßte eine Zitrone aus und ließ mich an dem frischen Duft schnuppern. Dann ging er an den Kühlschrank, zog eine Coladose heraus und schenkte mir ein Glas ein. »Geheimtip«, empfahl er. Ich trank, und erstaunlicherweise tat mir das eisig-scheußliche Getränk gut. Dieter strich in einer einmalig lieben Geste über mein Haar und ging.
Meinem Ehemann, der doch im allgemeinen neben mir schlief, war meine Würgerei in der Frühe nie aufgefallen. Dieter dagegen hatte es im Stockwerk darüber registriert. Wenn Dieter aber an eine Schwangerschaft dachte, dann mußte er doch seine eigene Vaterschaft in Erwägung ziehen. Oder rechneten Männer nie nach?
Ich war an diesem Tag beim Gynäkologen bestellt. Fieberhaft erwartete ich sein Urteil.
Danach hatte ich es sehr eilig, Dorit aufzusuchen.
»Und was sagt der werdende Vater?« fragte sie.
»Er ahnt noch nichts von seinem Glück, du bist die erste, das habe ich dir versprochen.«
»Ich weiß diese Ehre wohl zu schätzen«, sagte Dorit, »aber tu ihm gegenüber so, als ob er der erste wäre.«
Nun hatten wir viel über Befindlichkeiten und abstruse Gelüste in der Schwangerschaft zu reden, ein Thema, das Dorit schon immer liebte, das sie mir aber aus Taktgefühl selten aufgezwungen hatte.
Da ich aber weder einen Freudentanz aufführte, noch nach Sekt verlangte, um dann die Gläser an die Wand zu knallen, fragte sie mit ahnungsvollem Verdacht, ob etwas mit Levin nicht stimme.
»O nein«, sagte ich, »aber mir ist pausenlos schlecht, und ich kann es sowieso noch nicht richtig glauben.«
»Das wird mit jedem Tag besser«, sagte Dorit, »die Übelkeit ist nach dem dritten Monat wie weggeblasen, und bei zunehmend rundem Bauch wird der Traum zur Realität.«
Ich blieb lange bei meiner Freundin, mit dem Resultat, daß Gero als zweiter die Neuigkeit zu hören bekam. Er küßte mich, zwinkerte seiner Frau zu und sagte: »Hoffentlich nimmt Dorit das nicht zum Anlaß, mich zu einem Dritten zu überreden!«
Sie lachte. »Du bringst mich direkt auf eine Idee…«
Schließlich fuhr ich heim. Ob Levin da war? Und wenn, was machte er für ein Gesicht?
Wie gehabt, saßen beide Männer in der Küche und hatten brav gekocht. »Ich habe heute eine tiefgefrorene polnische Gans für Weihnachten gekauft«, sagte Dieter.
»Und ich war beim Arzt«, sagte ich mutig, »ich bin im zweiten Monat.«
Levin sah mich skeptisch an.
Dieter holte sofort die unerwünschte Flasche Sekt. Ganz gegen meine neuen Prinzipien trank ich ein Schlückchen und genoß es, endlich wieder im Mittelpunkt zu stehen. Als hätte unsere böse Auseinandersetzung nie stattgefunden, verstanden wir uns alle drei an diesem Abend ausgezeichnet. Der Rauschgoldengel stand im Wintergarten auf einer Palme und gab uns seinen Segen.
Leider war ich es dann, die zickig wurde. Ich hatte das unheimliche Gefühl, daß Margot in der Hängematte lag und uns zusah; in Wahrheit wiegte sich dort der wollüstige Kater. Margot, die auch ein Kind bekommen hatte - von wem, war ebensowenig zu rekonstruieren -, verfolgte mich.
»Sauft nicht so viel!« schrie ich plötzlich, und die Männer starrten mich erschrocken an.
Auch Tamerlan sprang aus der Matte, die noch lange heftig weiterschaukelte.
Wie schon oft, zog ich mich zurück, nicht ohne befohlen zu haben, die Küche in Ordnung zu bringen.
Eine zweite Reise wurde unfreiwillig und plötzlich zur bitteren Notwendigkeit für Levin. Er bekam einen Anruf aus Wien, seine Mutter habe einen schweren Autounfall erlitten. In Levins unglücklichem Gesicht konnte man lesen, daß diese Geschichte nicht erfunden war. Er verlangte kein Geld, aber selbstverständlich besorgte ich ein Flugticket und wechselte Schillinge ein. Gern hätte ich ihm einen Mantel gekauft, aber Levin trug aus Prinzip nur kurze Jacken.
Sollte ich mitkommen? Eine Flugreise war mir im Augenblick zuwider. Von Levins Mutter wußte ich nur, daß sie eine glühende Bewunderin der Annette von Droste-Hülshoff war, nach der sie eine ersehnte Tochter benennen wollte. Als es zu ihrer Enttäuschung ein Sohn wurde, mußte Annettes jugendlicher Freund Levin Schücking als Namensgeber herhalten.
Es war fünf Tage vor Heiligabend, ich hatte mir zwei Wochen Urlaub genommen. Etwas beklommen fiel mir ein, daß ich nun mit Dieter allein im Haus war. Wahrscheinlich strebte er eine Aussprache an.
Bereits beim
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