Die Arena
das einzige Exemplar. Das traute sie ihm durchaus zu.
Auf halber Höhe des Town Common Hills erreichte sie die Prestile Street, die parallel zur Obergrenze des Stadtangers verlief. Das erste Haus gehörte den McCains. In dem zweiten wohnte Andrea Grinnell. Und obwohl Andrea im Stadtverordneten-Ausschuss meist im Schatten ihrer bei den Kollegen stand, wusste Brenda, dass sie ehrlich war und Big Jim nicht leiden konnte. Seltsamerweise war es Andy Sanders, vor dem Andrea eher einen Kotau machte, auch wenn Brenda nicht begriff, wie irgendjemand ihn ernst nehmen konnte.
Vielleicht hat er sie durch irgendwas in der Hand, sagte Howies Stimme in ihrem Kopf.
Brenda hätte beinahe laut gelacht. Lächerlich! Das Entscheidende an Andrea war, dass sie eine Twitchell gewesen war, bevor Tommy Grinnell sie geheiratet hatte, und alle Twitchells waren zäh, selbst die schüchternen. So gelangte Brenda zu der Überzeugung, dass sie den Umschlag mit dem VADER-Ausdruck bei Andrea zurücklassen konnte ... falls ihr Haus nicht ebenfalls zugeschlossen und leer war. Aber das war unwahrscheinlich. Hatte sie nicht von jemandem gehört, Andrea liege mit einer Grippe im Bett?
Auf ihrem Weg über die Main Street übte Brenda ein, was sie sagen würde: Kannst du diesen Umschlag für mich aufbewahren? Ich hole ihn in ungefähr einer halben Stunde wieder ab. Falls ich ihn nicht mehr holen komme, bringst du ihn Julia in die Redaktion. Und sorge dafür, dass Dale Barbara davon erfährt.
Und wenn sie gefragt wurde, was die ganze Geheimnistuerei soll? Brenda entschied sich für Offenheit. Die Mitteilung, dass sie vorhatte, Jim Rennie zum Rücktritt zu zwingen, würde Andrea wahrscheinlich mehr helfen als eine doppelte Dosis Theraflu.
Obwohl Brenda es eilig hatte, ihre unerfreuliche Aufgabe hinter sich zu bringen, blieb sie kurz vor dem Haus der McCains stehen. Es wirkte verlassen, hatte aber zugleich etwas Eigenartiges an sich. Viele Familien waren außerhalb der Stadt gewesen, als die Kuppel hier gelandet war - daran lag es nicht. Eher an dem schwachen Geruch, als würde dort drinnen das Essen verderben. Plötzlich erschien ihr der Tag heißer, die Luft drückender, und die Geräusche der Randale vor der Food City schienen weit entfernt zu sein. Nun erkannte Brenda den wahren Grund für ihr Unbehagen: Sie fühlte sich beobachtet. Sie stand da und sinnierte darüber, wie sehr diese Fenster mit den herabgelassenen Jalousien geschlossenen Augen glichen. Aber nicht ganz geschlossenen, nein. Blinzelnden Augen.
Schluss damit, Brenda. Du hast Wichtigeres zu tun.
Sie ging weiter zu Andreas Haus und blieb unterwegs noch einmal stehen, um einen Blick über die Schulter zu werfen. Sie sah nichts als ein Haus mit herabgelassenen Jalousien, das düster im milden Gestank seiner verderbenden Vorräte stand. Nur Fleisch roch so rasch so schlecht. Henrys und LaDonnas Gefrierschrank muss mit Fleisch vollgestopft sein, überlegte sie sich.
17
Es war Junior, der Brenda beobachtete: Junior auf den Knien; Junior, der nur seine Unterhose trug und dessen Kopf hämmerte und dröhnte. Er beobachtete sie aus dem Wohnzimmer, in dem er den Vorhang einen kleinen Spalt weit aufgezogen hatte. Als sie fort war, ging er zurück in die Speisekammer. Er würde seine Freundinnen bald hergeben müssen, das wusste er, aber vorerst wollte er sie um sich haben. Und er wollte die Dunkelheit. Er wollte sogar den Gestank, der von ihrer sich schwarz verfärbenden Haut aufstieg.
Alles, alles, was seine tobenden Kopfschmerzen mildern konnte.
18
Nach dreimaligem Drehen der altmodischen Türklingel fand Brenda sich damit ab, nun doch nach Hause gehen zu müssen. Aber als sie sich abwandte, hörte sie schlurfende langsame Schritte, die sich von innen der Haustür näherten. Sie setzte ein kleines Hallo Nachbarin-Lächeln auf. Es gefror förmlich, als sie Andrea sah: mit blassen Wangen, dunklen Schatten unter den Augen, unfrisiert, den Gürtel ihres Bademantels, unter dem sie einen Py jama trug, festziehend. Und auch dieses Haus stank - nicht nach verwesendem Fleisch, sondern nach Fäkalien und Erbrochenem.
Andreas Lächeln war so matt, wie ihre Wangen und ihre Stirn bleich waren. »Ich weiß, wie ich aussehe«, sagte sie. Ihre Worte kamen als Krächzen heraus. »Ich bitte dich lieber nicht herein. Ich befinde mich auf dem Weg der Besserung, bin aber vielleicht noch immer ansteckend.«
»Warst du bei Doktor ... « Nein, natürlich nicht. Dr. Haskell war tot.
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