Die Arena
noch Schokolade klebte. Einmal stieß er auf ein ganzes Törtchen von Table Talk. Es war aus seiner Backform und in seinem Magen, bevor man Cholesterin sagen konnte.
Allerdings gelang es ihm nicht, alle entdeckten Leckerbissen zu verschlingen; manchmal sah Julia, worauf er es abgesehen hatte, und zerrte ihn an der Leine weiter. Aber er gelangte an einiges, weil Julia oft ein Buch oder die zusammengefaltete New York Times in der anderen Hand hielt, wenn sie ihn Gassi führte. Wegen der Times ignoriert zu werden, war nicht immer gut - zum Beispiel, wenn man am Bauch gekrault werden wollte -, aber auf der Straße war Nichtbeachtung ein Segen. Für kleine gelbe Corgis bedeutete sie Snacks.
Auch an diesem Morgen wurde er ignoriert. Julia und die andere Frau - der dieses Haus gehörte, weil ihr Geruch überall war, vor allem in der Nähe des Raums, den Menschen aufsuchten, um ihr Häufchen zu machen und ihr Gebiet zu markieren - sprachen miteinander. Einmal weinte die andere Frau, und Julia nahm sie in die Arme.
»Mir geht's besser, aber nicht ganz«, sagte Andrea. Sie waren in der Küche. Horace konnte den Kaffee riechen, den sie tranken. Kalter Kaffee, kein heißer. Er konnte auch Törtchen riechen. Die Sorte mit Zuckerguss. »Ich will das Zeug noch immer.« Falls sie damit Törtchen mit Zuckerguss meinte, die mochte Horace auch.
»Du wirst dich vielleicht noch lange danach verzehren«, sagte Julia, »und das ist nicht einmal der wichtige Teil. Ich bewundere deinen Mut, Andi, aber Rusty hatte Recht: totaler Entzug ist unklug und gefährlich. Du kannst von Glück sagen, dass du keine Krämpfe hattest.«
»Vermutlich hatte ich sogar welche.« Andrea trank einen Schluck Kaffee. Horace hörte sie schlürfen. »Ich habe ein paar verdammt lebhafte Träume gehabt. Zum Beispiel von einem Brand. Einer richtigen Feuersbrunst. An Halloween.«
»Aber jetzt geht's dir besser.«
»Ein bisschen. Ich beginne zu denken, dass ich es schaffen kann. Julia, du kannst sehr gern hier bei mir bleiben, aber ich glaube, dass du eine bessere Unterkunft finden kannst. Der Ge ruch ... «
»Gegen den Geruch lässt sich etwas tun. Wir holen uns bei Burpee's einen batteriebetriebenen Ventilator. Wenn Kost und Logis ein festes Angebot sind - das auch für Horace gilt -, nehme ich es gern an. Niemand, der von einer Sucht loszukommen versucht, sollte das allein tun müssen.«
»Ich glaube nicht, dass es eine andere Methode gibt, Schätzchen.«
»Du weißt, was ich meine. Wieso hast du's getan?«
»Weil diese Stadt mich vielleicht zum ersten Mal braucht, seit ich gewählt worden bin. Und weil Jim Rennie mir angedroht hat, dass ich keine Tabletten mehr kriege, wenn ich Einspruch gegen seine Pläne erhebe.«
Den Rest ihres Gesprächs blendete Horace aus. Ihn interessierte mehr, was seine empfindliche Nase in dem Spalt zwischen einem Ende der Couch und der Wand witterte. Dies war die Couch, auf der Andrea in besseren (wenn auch erheblich zugedröhnte ren) Tagen gern gesessen hatte - manchmal um Fernsehserien wie The Hunted Ones (eine clevere Fortsetzung von Lost) und Lets Dance anzusehen, manchmal um sich im Pay-TV einen Film reinzuziehen. An Kinoabenden hatte es oft Popcorn aus der Mikrowelle gegeben. Die Popcornschale hatte auf dem Beistelltisch gestanden. Weil Bekiffte oft etwas nachlässig sind, lag unter dem Tisch einiges an Popcorn verstreut. Genau das hatte Horace gewittert.
Er überließ die Frauen ihrem Blabla und arbeitete sich unter dem kleinen Tisch bis zu dem Spalt vor. Dieser Raum war schmal, aber der Beistelltisch bildete eine natürliche Brücke, und er war ein ziemlich schmaler Hund, vor allem seit er an der CorgiVersion von Weight-Watchers teilnahm. Die ersten Körner lagen knapp hinter dem VADER-Dossier, das dort in seinem braunen Umschlag lag. Tatsächlich stand Horace mit den Füßen auf dem Namen seiner Herrin (in der ordentlichen Druckschrift der verstorbenen Brenda Perkins) und saugte die ersten Körner eines überraschend großen Fundes auf, als Andrea und Julia in den Raum zurückkamen.
Eine Frauenstimme sagte: Bring ihr das.
Der Corgi sah auf, stellte die Ohren hoch. Das war nicht Julia oder die andere Frau, sondern eine Totenstimme gewesen. Wie alle Hunde hörte Horace ziemlich oft Totenstimmen und sah manchmal ihre Besitzer. Die Toten waren überall, aber die Lebenden sahen sie nicht besser, als sie die meisten der über zehntausend Aromen riechen konnten, von denen sie ständig umgeben waren.
Bring das Julia, sie
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