Die Arena
zu glühenden Stümpfen abgebrannt, und die Straße selbst ist ein blubbernder Graben. Dann legt sich ein glühender Mantel aus Feuer von hinten über ihn, und Henry Morrison verliert das Bewusstsein. Bus 19 kommt schleudernd von der kaum noch vorhandenen Straße ab und überschlägt sich, während aus allen zersplitterten Fenstern Flammen schlagen. Die rasch schwarz werdende Beschriftung des Schulbushecks mahnt: FAHR LANGSAMER, JUNGE! WIR LIEBEN UNSERE KINDER!
Ollie Dinsmore spurtet zur Scheune. Der Junge, der Grampy Toms Sauerstoffmaske um den Hals trägt und mit nie geahnten Kräften zwei Sauerstoffflaschen schleppt (die zweite hat er entdeckt, als er durch die Garage ins Haus gekommen ist), rennt zu der Treppe, die in den Kartoffelkeller hinunterführt. Über ihm ist ein reißendes, prasselndes Geräusch zu hören, als das Dach zu brennen beginnt. Auch die an der Westseite der Scheune gestapelten Kürbisse fangen Feuer; der widerwärtig süßliche Geruch erinnert an Thanksgiving in der Hölle.
Die Feuerwalze hat den Südrand der Arena schon fast erreicht, scheint die letzten hundert Meter beschleunigt zurückzulegen; es gibt eine Explosion, als Dinsmores Viehställe zerstört werden. Henrietta Clavard beobachtet die heranrückenden Flammen und denkt: Tja, ich bin alt. Ich habe mein Leben gehabt. Das ist mehr, als dieses arme Mädchen sagen kann.
»Dreh dich um, Schätzchen«, fordert sie Petra auf, »und leg deinen Kopf an meine Brust.«
Petra Searles hebt Henrietta ein tränennasses, sehr junges Gesicht entgegen. »Wird es wehtun?«
»Nur eine Sekunde lang, Schätzchen. Schließ die Augen, und wenn du sie wieder aufmachst, badest du deine Füße in einem kühlen Bach.«
Petra spricht ihre letzten Worte. »Das klingt hübsch.«
Sie schließt die Augen. Das tut auch Henrietta. Die Flammen schlagen über ihnen zusammen. Eben sind sie noch da, im nächsten Augenblick ... verschwunden.
Cox steht weiterhin dicht an der Kuppel, und die Kameras laufen an ihrem sicheren Standort auf dem Flohmarktgelände weiter. Ganz Amerika verfolgt die Ereignisse mit geschockter Faszination. Die Kommentatoren schweigen vor Fassungslosigkeit, und den einzigen Soundtrack liefert das Feuer, das eine Menge zu sagen hat.
Einen Augenblick lang kann Cox noch die lange Menschenschlange sehen, obwohl die Personen, aus denen sie besteht, nur Silhouetten vor den Flammen sind. Wie die Flüchtlinge auf der Black Ridge, die endlich zu dem Farmhaus und ihren Fahrzeugen unterwegs sind, halten sich die meisten von ihnen an den Händen. Dann schlägt das Feuer gegen die Kuppel, und sie sind verschwunden. Wie um ihr Verschwinden wettzumachen, wird die Barriere selbst sichtbar: als himmelhoch aufragende rauchgeschwärzte Wand. Obwohl die Feuerhitze größtenteils zurückgehalten wird, blitzt genug hindurch, um Cox in die Flucht zu schlagen. Während er davonrennt, reißt er sich sein rauchendes Hemd vom Leib.
Das Feuer ist auf der von Barbie vorausgesehenen Diagonale geblieben, hat Chester's Mill von Nordwesten nach Südosten ziehend verwüstet. Als es erlischt, tut es das verblüffend schnell. Was es verzehrt hat, ist Sauerstoff; was es hinterlässt, sind Methan, Formaldehyd, Salzsäure, Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und nicht minder ungesunde Spurengase. Außerdem erstickende Wolken aus Masseteilchen: verdampfte Häuser, Bäume und - natürlich Menschen.
Was es hinterlässt, ist Gift.
22
Achtundzwanzig Flüchtlinge und zwei Hunde fuhren im Konvoi in das bei Alteingesessenen als »Kanton« bekannte Gebiet an der Grenze zur TR-90 hinaus. Sie hockten zusammengedrängt in drei Vans, zwei Limousinen und dem Krankenwagen. Als sie ankamen, hatte der Tag sich verdunkelt, und die Luft ließ sich immer schwerer atmen.
Barbie zog die Handbremse von Julias Prius an und rannte zu der Kuppel, wo ein besorgter Oberstleutnant der D.S. Army und ein halbes Dutzend weiterer Soldaten ihn erwarteten. Die Strecke war kurz, aber als Barbie den an die Kuppel gesprühten roten Streifen erreichte, rang er keuchend nach Atem. Die gute Luft verschwand wie Wasser durch den Ablauf einer Badewanne.
»Die Ventilatoren!«, forderte er den Oberstleutnant hechelnd auf. »Stellen Sie die Ventilatoren an!«
Claire McClatchey und Joe kletterten aus dem Lieferwagen des Kaufhauses, beide taumelnd und keuchend. Der AT&T-Van kam als Nächster an. Ernie Calvert stieg aus, machte zwei Schritte und sank auf die Knie. Norrie und ihre Mutter versuchten, ihm aufzuhelfen.
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