Die Artefakte der Macht 03 - Flammenschwert
ihren Besen und begann, auf die beiden jungen Männer einzudreschen, bis sie winselnd um Gnade baten. Und währenddessen stand ihre scharfe Zunge keinen Augenblick still.
»Ich weiß nicht … Ist das eure Dankbarkeit für die Freundlichkeit, mit der ich euch aus reiner Herzensgüte aufgenommen habe? Was würde deine arme Tante Dulsina dazu sagen … Bei dem Krawall, den ihr veranstaltet habt, hättet ihr uns noch die Stadtwache auf den Hals gehetzt … Und mein armer Tisch ist nur noch ein Haufen Feuerholz und das ganze gute Geschirr in Scherben gegangen … Es will schon etwas heißen, wenn zwei gesunde junge Männer wie ihr nichts Besseres im Sinn haben, als eine arme hilflose Witwe mit solcher Herzlosigkeit zu behandeln …«
Unaufhörlich tobte Hebba weiter, selbst nachdem ihr Ärger verraucht war und Tränen ihre Stimme zittern ließen. Sie schimpfte sogar noch, als sie ihren Schrank nach Zaubernuß und Weidenborke durchstöberte, um die Schrammen der beiden jungen Männer zu versorgen und ihre Prellungen in kaltem Wasser zu baden. Tarnal hatte sich beinahe wohler gefühlt, als sie mit dem Besen auf ihn eindrosch, obwohl er sich schämte und ihm ganz übel vor Gewissensbissen war, als er mit seinen rapide anschwellenden Augen die Zerstörung betrachtete, die Yanis und er im Zimmer angerichtet hatten.
»Ach, halt doch den Mund, Frau, um Himmels willen!« brüllte Yanis.
Tarnal blickte auf und sah, wie sich Hebbas Mund in der folgenden Stille in entsetzter Empörung öffnete. Der Schmugglerführer funkelte sie düster an. »Die Sache mit deiner Küche tut mir leid, Hebba«, murmelte er undeutlich durch aufgeplatzte Lippen. »Ich werde es dir eines Tages ersetzen, das verspreche ich. Aber jetzt muß ich aufbrechen.« Die letzten wütenden Worte waren an Tarnal gerichtet: »Du kannst ja hierbleiben, wenn du willst – oder zur Hölle gehen. Das ist mir egal. Was mich betrifft, bist du kein Nachtfahrer mehr!« Mit diesen Worten riß er sein Schwert an sich und stampfte aus dem Haus.
Das Zuschlagen der Tür schien eine Ewigkeit durch die in Trümmern liegende Küche zu hallen. Für Tarnal, der immer noch unter dem Schock von Yanis’ Worten stand, war es der Todesstoß für das einzige Leben, das er je gekannt hatte. Schließlich nahm Hebba ihren ganzen Mut zusammen und brach das Schweigen, das dem Aufbruch des Schmugglers gefolgt war: »Hat er gesagt Nachtfahrer?«
Damit war die Sache gelaufen. Tarnal konnte nur unglücklich nicken.
»Und Dulsina wußte davon?« Hebbas Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Also wirklich!« sagte sie empört. »Was kommt denn noch alles?«
Tarnal wünschte nur, er hätte es ihr sagen können.
Es hatte angefangen zu regnen. Der tropfende, bleierne Himmel spiegelte wunderbar Yanis’ Laune wider, während der Nachtfahrer zitternd und schon jetzt ohne jede Orientierung durch das verwirrende Labyrinth leerer, schlammiger Straßen stapfte. Sein Ärger schmolz bereits dahin, als hätte der unerbittliche Regen ihn weggewaschen. Sein schlechtes Gewissen jedoch reichte aus, um ihn vorwärtszutreiben. Er konnte unmöglich zurückgehen und Hebba und seinem früheren Freund nach allem, was er getan hatte, ins Gesicht sehen … Zaghaft betastete Yanis die pochenden Schwellungen auf seinem Gesicht, und kurz blitzte sein früherer Zorn wieder auf. »Dieser Mistkerl Tarnal!« brummte er. »Es ist alles seine Schuld. Wie konnte er wagen, meine Autorität so in Frage zu stellen?« Yanis’ Stolz war es, der ihm den letzten Stachel ins Fleisch trieb. Was? Jetzt zurückkehren und sich bei dem kleinen Scheißer entschuldigen? Warum sollte ich? dachte er. Ich war keineswegs im Unrecht. Ich bin der Anführer der Nachtfahrer. Ich gehöre nach Hause zu meinen Leuten – ganz besonders in diesen harten und gefährlichen Zeiten. Und, piesackte ihn eine lästige kleine Stimme in seinem Innern, es gibt außer Tarnal noch viele Leute zu Hause, die deine Fähigkeiten als Führer bezweifeln. Wenn du deine Autorität wahren willst, solltest du besser schleunigst heimkehren, um sie zu verteidigen.
»Das Schlimme ist nur, daß meine Mutter mir die Haut abziehen wird, wenn ich ohne Zanna zurückkomme«, stöhnte Yanis. Allerdings gab es nichts mehr, was er in dieser Angelegenheit hätte unternehmen können, versuchte er sich einzureden. Hatte er nicht in der ganzen Stadt nach ihr gesucht? Was erwartete man denn noch alles von ihm? »Nein – ich gehe nach Hause, und damit hat sich’s.« Die Tatsache, daß
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