Die Artefakte der Macht 04 - Dhiammara
Gefahren willst du sie denn verteidigen, die sie nicht sehr gut allein meistern könnte? Warum fragst du nicht mal den Fürsten der Phaerie, ob diese Frau seiner Meinung nach Schutz braucht?«
»Unfug.« Einzig Dulsina stellte sich auf Yazours Seite. »Du bist ein lieber Kerl, Vannor, aber manchmal kannst du auch ziemlich dumm sein. Die arme Lady – sie hat gerade ihre Tochter verloren, und ihr Heim liegt in Schutt und Asche. Natürlich braucht sie jemanden, der für sie sorgt. Uns alle bekümmert das Schicksal der Magusch, aber für Eilin muß es viel schlimmer sein. Sie muß allein sein, um zu trauern, das stimmt natürlich – aber doch nicht die ganze Zeit, um Himmels willen!«
»Es ist keine Frage von Macht oder Stärke«, gab Yazour ihr recht. »Oft sind unsere größten Feinde gerade die, die sich unbemerkt an uns heranschleichen: Einsamkeit, Angst, Kummer und Hoffnungslosigkeit. Diese Feinde kann niemand allein bezwingen. Sie muß jemanden bei sich haben, der sie ab und zu auf andere Gedanken bringt, der sie aufheitert …«
Dergleichen feinsinnige Überlegungen waren an Phaerie eindeutig verschwendet. »Tu, was du nicht lassen kannst.« Er zuckte die Achseln. »Wenn es dich davon abhält, Hals über Kopf und ganz allein in Richtung Süden aufzubrechen, dann hast du meinen Segen. Denk nur daran, daß diese Maguschfrauen ganz anders sind als eure behüteten Mädchen drüben im Süden. Du darfst nie vergessen, wessen Mutter die Lady Eilin ist. Wenn du auch nur andeutest, daß sie irgendeine Ähnlichkeit mit einem dieser hilflosen weiblichen Wesen haben könnte, wird sie deine Eier zum Frühstück verspeisen. Sie sind sehr reizbar, diese Magusch – das solltest du mittlerweile eigentlich wissen. Du bist ein tapfererer Mann als ich es bin, Yazour, wenn du auch nur den Versuch unternimmst, ihr die Stirn zu bieten. Vor allem jetzt, wo sie so fest entschlossen zu sein scheint, niemanden an sich heranzulassen.«
Yazour seufzte. Sieht so aus, als würde diese Sache doch schwieriger werden, als ich gedacht hatte, ging es ihm durch den Kopf. Aber egal. Aurians Mutter braucht mich, und ich werde sie irgendwie dazu bringen, mich zu akzeptieren. Für Parric setzte er seine tapferste Mine auf. »Es ist mir egal, wie halsstarrig sie ist. Wenn ich morgen mit ihr rede, wird sie herausfinden, daß auch ich stur sein kann.«
Mitten in der kalten dunklen Nacht war die irdische Welt ein unwirtlicher Ort. Hellorin bückte über das trostlose, windgepeitschte Moorland und fluchte leise vor sich hin. Er hatte so lange fern der Welt gelebt, daß er ganz vergessen hatte, wie unangenehm ihr Klima sein konnte. Obwohl die Kälte den Phaerie mit ihrer Magie nichts anhaben konnte, waren sie doch seit vielen, vielen Jahrhunderten an eine freundlichere Umgebung gewöhnt – aber Hellorin, der gerade erst seine Freiheit wiedergewonnen hatte, hätte sich niemals kleinlaut in die Behaglichkeit seines Palastes im Anderswo seines langen Exils zurückgeschlichen.
»Mein Fürst, das ist doch lächerlich.«
Hellorin sah sich um und fand sich Lethas gegenüber, seinem Kammerherrn. Der Phaeriefürst seufzte. Lethas neigte für gewöhnlich gar nicht dazu, sich zu beklagen – er hatte Hellorins Palast jahrhundertelang mit leichter Hand verwaltet, und es gab kaum etwas, das außerhalb seiner Organisationsfähigkeiten, oder wenn die einmal versagten, außerhalb seiner magischen Kräfte lag.
Heute nacht jedoch blickte der Kammerherr finster drein. Er strich sich das dunkle, vom Wind zerzauste Haar aus den Augen, in denen der verärgerte Ausdruck eines Menschen stand, der ein und dieselbe Geste zu viele Male wiederholt hatte. »Herr, unser Volk sollte jetzt ein Festmahl abhalten, um den Erfolg unserer Jagd zu feiern. Welche Behaglichkeit kann uns dieser elende Ort schon bieten?«
Hellorin konnte nicht umhin, ihm beizupflichten. Das Tal verfügte über kleine Wälder, die sich durch Magie vorübergehend in Wände und Dächer verwandeln lassen konnten. In dem natürlichen Schutz der turmhohen Kraterwände hätten sie mühelos die großen Waldfeste alter Zeiten wieder aufleben lassen können. Diese unverschämten, sterblichen Eindringlinge hätten von dem Phaerieland vertrieben werden müssen – nur daß dieses Land eben nicht den Phaerie gehörte.
Der Waldfürst runzelte die Stirn. Das Tal war Eilins Reich. Die Magusch hatte mit dem Tod ihres geliebten Seelengefährten dafür bezahlt. Sie hatte mit ihrer Erdmagie und endlosen Jahren der
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