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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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und Verzeichnissen von Geschäften und Städten. Hamada blätterte kurz in dem Buch und reichte es Hadrian dann aufgeschlagen. Die Doppelseite zeigte eine Landkarte der nordwestlichen Uferregion vor sechzigJahren. Hadrian folgte dem Küstenverlauf mit dem Finger nach Norden und hielt an einem beigefarbenen Fleck, der als Blue Thunder First Nation Reserve bezeichnet war. Dann suchte er den Rest bis zum Rand der Karte ab. Kein Sankt Gabriel.
    »Versuch es mit den Städtelisten«, schlug Hamada vor. »Dort wird auf die wichtigsten Firmen und Institutionen verwiesen.«
    Hadrian zog das Buch erneut zurate und wählte, basierend auf seiner ungefähren Schätzung des Standorts, ein halbes Dutzend Kandidaten aus. Nach einigen Minuten hatte er den Eintrag gefunden. Er tadelte sich selbst, weil er vergessen hatte, dass das Kloster umgewandelt worden war. Das Unternehmen hieß Sankt-Gabriel-Eierfarm. »Ich muss mir das etwas genauer ansehen«, sagte Hadrian.
    Hamada deutete einladend auf einen staubigen Tisch mit den Wachsresten zahlloser heruntergebrannter Kerzen. »Wir lassen dir etwas Ruhe«, sagte der japanische Archivar und wandte sich mit seinem Hund zum Eingang.
    Hadrian fuhr noch einmal mit dem Finger die Uferlinie entlang und las die Beschreibung einer jeden Stadt, auf die er dabei traf. Er wusste selbst nicht, wonach er suchte, bis ihm jäh der Atem stockte. Der Eintrag bezog sich auf ein Dorf namens Darby mit einem einzelnen markanten Wahrzeichen, vor dem Touristen sich gern fotografieren ließen: der Darby Correctional Facility, einer großen Strafanstalt. Sie war Jahrzehnte zuvor nach dem Vorbild einer berühmten schottischen Burg errichtet worden.
Die klassischen dicken Granitmauern lassen kaum auf die Zellen dahinter schließen
, stand in dem Text. Die Mauern des Gefängnisses mochten den Druckwellen der Explosionen nicht standgehalten haben, aber die tiefer gelegenen Zellen hätten perfekte Schutzbunker abgegeben. Und in Anbetracht der einsamen Lage undder starken Seewinde war der Ort überdies womöglich von allen biologischen Kampfstoffen verschont geblieben. Was hatte Sebastian erzählt? Zwei Wochen nachdem seine Leute das Kloster entdeckt hatten, sei aus dem Norden eine Gruppe Männer in grauer Kleidung hinzugekommen, und sie hätten sich geeinigt, einander zu helfen.
    Hadrian blätterte weiter. Die Werbeanzeigen waren flüchtige Erinnerungen an die erste Welt. Autowaschanlagen, Imbissbuden, Computerläden, Radiosender. Er schaute zu Hamada, der mit seinem Hund vor der Tür saß. Früher, wenn ein Schneesturm aufzog, waren Hadrian und Jonah oft hergekommen, und dann hatten sie zu dritt stundenlang am Kanonenofen gesessen und begeistert die Schätze der Scheune verschlungen. Doch Hamada war im Laufe der Zeit zurückhaltend geworden, sogar misstrauisch.
    Hadrian legte den Almanach zurück auf den Stapel und ging langsam zur Tür. Sein Blick schweifte über so manchen Titel, den die Bücherwoge nach oben gespült hatte.
Moby-Dick
.
Amerikas beliebteste Volkslieder
.
Große Schlachten des amerikanischen Bürgerkriegs
. Er stutzte und sah noch mal hin.
    Hamada reagierte nicht, als Hadrian das Liederbuch neben ihn legte. »I have an old mule and her name is Sal, fifteen miles on the Erie Canal«, rezitierte er.
    »Wie bitte?«, fragte Hamada.
    »Sie war hier«, sagte Hadrian. »Nelly hat das Lied aus diesem Buch abgeschrieben. Die Ecke der Seite ist umgeknickt. Das muss ein oder zwei Tage vor Jonahs Tod gewesen sein. Sie und Shenker haben sich hier versteckt, nicht wahr?«
    Hadrian rechnete damit, dass er es abstreiten würde. »Ich führe kein Gästebuch«, sagte Hamada stattdessen. »Du weißt nur zu gut, dass jeder, der sich für meine Bücher interessiert, gern in den Ställen da unten Zuflucht nehmen darf.«
    »Und du weißt nur zu gut, dass der Eigentümer des Hauses,auf dem sie verhaftet wurden, gelogen hat, als er behauptete, sie hätten ihn dort gegen seinen Willen festgehalten.«
    Hamada streichelte seinem Hund den Kopf. »Die würden hier alles abfackeln, ohne mit der Wimper zu zucken«, sagte er.
    Hadrian legte dem alten Mann eine Hand auf die Schulter. »Wer ist es, Takeo? Wer jagt dir solche Angst ein?« Falls Kultur eine Religion wäre, wäre der alte Mann ein Heiliger. Er hatte für seine Bücher viel erduldet.
    Hamadas Stimme klang hohl, als er endlich etwas erwiderte. »Wir hätten die Bücher schon vor Jahren in die Berge bringen müssen, Hadrian. Jetzt ist es zu spät.«
    Die düstere Stimmung

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