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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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zur Kellertür. Nach einem kurzen Blick zur Küche, um sicherzustellen, dass niemand ihn beobachtete, öffnete er die Tür, rollte die Flasche über die erste Stufe und rannte zurück ins Arbeitszimmer, während die Flasche geräuschvoll die dunkle Treppe hinunterstürzte.
    Gleich darauf hörte er Buchanan wütend fluchen. »Björn!«, schrie der Gouverneur. »Er ist schon wieder im Keller!«
    Sobald die beiden Männer nach unten verschwunden waren, lief Hadrian den Korridor entlang und die Treppe hinauf. Neben der ersten Tür saß eine stämmige Frau mit Schürze schlafend in einem Sessel. Er schlich sich an ihr vorbei, öffnete die Tür und fand sich in einem Schlafzimmer mit Regalen voller Bücher und Puppen wieder. Dora, die jüngste Tochter des Gouverneurs, saß mit roten, geschwollenen Wangen auf einem Stuhl neben dem Bett. Sie hatte geweint. Das Mädchen hielt die Hand seiner älteren Schwester, die unter einer dicken Steppdecke lag.
    Auf den ersten Blick schien Sarah zu schlafen. Doch dann sah Hadrian ihr blasses Gesicht und das Zucken ihrer Fingerspitzen. Er kniete sich an das Bett und nahm sanft die Hand, die Dora hielt. Sarahs Puls war niedrig, gefährlich niedrig.
    Hadrian rührte sich nicht, als schwere Schritte die Treppe hinaufkamen. Björn packte ihn an der Schulter und schien zuschlagen zu wollen, doch die Stimme des Gouverneurs hielt ihn zurück. »Halt! Hadrian ist ein alter Freund der Mädchen.«
    Der Leibwächter runzelte mit finsterer Miene die Stirn, zog sich aber auf den Flur zurück. Buchanan kam zu Hadrian. »Rede mit ihr. Vielleicht reagiert sie auf deine Stimme.«
    Hadrian sprach Sarah mit ihrem Namen an, einmal, zweimal, dreimal. Dann hob er vorsichtig eines ihrer Augenlider. Ihre Iris bleichte aus. »Sie gehört ins Krankenhaus«, sagte er.
    »Die haben jetzt schon mehr Patienten, als sie bewältigen können«, sagte Buchanan. »Und der Erste ist in deren Obhut gestorben, wie du weißt.«
    Hadrian blickte auf. Räumte der Gouverneur etwa ein, dass er inzwischen die Wahrheit über Jamie Reese kannte? »Erst vorgestern habe ich sie noch gesehen, bei ihrer Theaterprobe. Wie lange liegt sie schon im Koma?«
    »Seit vorgestern Abend.«
    »Und was war davor?«
    »Schule. Hausaufgaben. Das Übliche. Aber sie war fahrig. Und unkonzentriert. Sie ist ständig in den Garten gegangen und hat zum Himmel geschaut oder im Räucherhaus gesessen.«
    »Das Zeug wird aus dem Ruinengebiet eingeschmuggelt.«
    »Welches Zeug?«
    »Drogen, Lucas. Mein Gott, siehst du es denn nicht? Sankt Gabriel frisst Carthage von innen auf und untergräbt gleichzeitig durch Schätze von außen unsere Entschlossenheit. Du hast die Kolonie nicht länger im Griff. Du kannst ja nicht mal kontrollieren, was in deinem eigenen Haus vorgeht.«
    »Unmöglich. Meine Sarah nimmt keine Drogen. Die ganzen letzten Wochen waren Wachposten hier vor Ort. Niemand hätte ihr unbemerkt Drogen verabreichen können.«
    »Es sei denn, Sarah wollte es«, erwiderte Hadrian. »Du musst das Schmugglerdepot in der Höhle jenseits des Eishauses dichtmachen. Zieh deine Patrouillen von den Farmen ab, und schick sie auf das Fischereigelände, wo sie hingehören.«
    »Die Außenseiter sind bloß Bauern«, beharrte Buchanan störrisch. »Machtlose Schatten. Von denen haben wir nichts zu befürchten.«
    Noch während er sprach, erschien Björn wieder im Eingang des Zimmers. Der große Norger war sichtlich aufgewühlt. Er sagte nichts, sondern zeigte nur auf das Fenster am Ende des Korridors. Hadrian stand auf und folgte Buchanan. Entsetzt sah er schon von weitem das Flackern eines Feuers. Er rannte los und erreichte das Fenster im selben Moment, in dem Buchanan gequält aufstöhnte. Die Schatten waren also doch nicht ganz so machtlos.
    Die brennenden Gebäude am südlichen Stadtrand waren wie fünf riesige Finger, die sich nach Carthage auszustrecken schienen. Glockensignale ertönten. Die Feuerwehr war bereits ausgerückt. Doch Hadrian wusste, dass sie zu spät kommen würde. Die Silos mit dem Wintergetreide der Kolonie brannten lichterloh.
     
    Das Ende der Welt war wiedergekehrt. Viele der älteren Männer und Frauen, die schwer gearbeitet hatten, um Carthage aufzubauen, saßen an Bäume gelehnt und weinten hemmungslos. Mütter drückten ihre kleinen Kinder an sich, damit die ihre Tränen nicht sehen würden. Leute liefen fassungslos umher und wollten die Katastrophe einfach nicht glauben.
    Der gesamte Getreidevorrat war vernichtet. Die trockenen Körner

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