Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
Vom Netzwerk:
Medizinherstellung durch Fermentation in den Jahren vor dem Ende zahlreiche Entdeckungen gemacht worden seien. Die Bakterien in den Becken ersetzten ganze Fabriken. Doch er warnte uns auch, dass ein Bergungsteam dort vor langer Zeit ums Leben gekommen sei. Und Kinzler sagte, hier sei nichts mehr da.« Sie hielt inne und schaute hinaus über die tote Stadt. Hadrian sah den Schmerz in ihren Augen. »Wir brauchen keine Bergungsgüter. Wenn es nach mir ginge, würden wir noch hundert Jahre warten, bevor jemand diese Orte betreten darf.«
    »Da drinnen muss es auch Fachliteratur geben«, sagte Hadrian. »Chemiebücher. Eine ganze Bibliothek über chemische Moleküle und wie man sie in diesen Becken herstellt.«
    Als Nelly nichts erwiderte, zeigte Hadrian auf den Wasserturm kurz vor der Hügelkuppe. Die Bäume verdeckten ihn fast vollständig, aber im Augenblick fielen die letzten Sonnenstrahlen genau auf diese Stelle. »Gehört das Ding zu der Anlage?«
    »Ich war noch nie hier«, erinnerte sie ihn. »Aber ja, ich glaube schon. Die Fabrik war immerhin als autarke Einheitkonzipiert. Daher dürfte sie über eine eigene Wasserversorgung verfügt haben, sowohl für die Turbinen der Stromgeneratoren als auch für das Herstellungsverfahren. Dieser Tank da wird vermutlich durch einen See gespeist.«
    Nelly musterte den Eingang mit dem bewaffneten Wachposten. »Als Kinzler die ersten Chargen Aspirin hergestellt hatte, wurde er in das Tribunal gewählt«, sagte sie. »Als er eine Allianz mit Sankt Gabriel ausgehandelt hatte, wurde er Vorsitzender.« Dann ging sie weg.
    Hadrian sah die Sterne über dem Berggrat und der unsichtbaren Fabrik aufgehen und musste daran denken, dass die Waffen, die das Ende einer anderen Welt bedeutet hatten, ebenfalls aus unterirdischen Bunkern gestartet worden waren.
    Als er schließlich zu ihrem provisorischen Lager zurückkehrte, saß Nelly mit Dax am Tisch und erklärte ihm Gegenstände, die der Junge zusammengetragen und vor sich aufgehäuft hatte. Er hielt eine Heftmaschine wie einen Schatz umklammert, probierte sie immer wieder an Papierfetzen aus und demonstrierte Hadrian dann begeistert, wie ein Locher funktionierte.
    Während sie ihr karges Mahl aus den fast gänzlich aufgebrauchten Vorräten teilten, erläuterte Hadrian seinen Plan. Die wenigen verbliebenen Pferde bedeuteten, dass sie es nur mit einer Handvoll Männer zu tun hatten. Er schlug vor, den Wachposten bei Tagesanbruch irgendwie abzulenken, sich in die Fabrik zu schleichen und die anderen zu überrumpeln.
    »Du hast doch gesagt, dass sie bewaffnet sind«, warnte Nelly. Als Hadrian nickte, lächelte sie gewitzt. »Dann sollten wir uns lieber offen nähern und unsere Gefangenen präsentieren«, verkündete sie und erklärte ihren eigenen Vorschlag.
    Jori, Björn und Hadrian hielten jeweils zwei Stunden Wache. Gegen Ende seiner Schicht stieß Hadrian auf ein rückwärtigesFenster, vor dem die Rankenschicht dünner war und einen weiten Ausblick auf das mondbeschienene Tal gestattete. Die Gegend war seit Jahrhunderten besiedelt gewesen – erst hatten die Ureinwohner den Farmern weichen müssen, dann war mit der Kanalverbindung zum Meer auch die Industrie ins Hinterland vorgedrungen. Etwa zweihundert Jahre lang hatte der Mensch hier gewirkt, hatte seine Lastkähne und Bulldozer mitgebracht, seine Dampflokomotiven und Computerchipfabriken, Marschkapellen und Einkaufszentren. Dann war die Menschheit in einer jähen Eruption vom Antlitz des Planeten getilgt worden.
    Als Björn leise pfiff, weil er ihn ablösen wollte, drehte Hadrian sich um und fand Dax an seiner Seite vor, wie er ebenfalls wortlos aus dem Fenster starrte. Der Junge folgte Hadrian, als dieser den Korridor hinunterging und dem Norger die Schrotflinte übergab. Er wollte sich einen Platz zum Schlafen suchen, als ihm Dax’ beunruhigte Miene auffiel. Der Junge war schon seit ihrer Ankunft ziemlich in sich gekehrt. Hadrian nahm zwei der brennenden Kerzen, reichte eine an Dax weiter und bedeutete ihm, er solle ihn begleiten. Dann ging er einen anderen Flur entlang. Die Bergungstrupps, die das Gebäude betreten hatten, waren nicht gründlich gewesen. Büros enthielten meistens wenig Nützliches für die Kolonie. Einige der inneren Türen waren gar nicht erst geöffnet worden. Hadrian nahm einen Feuerlöscher von dessen Wandhalterung und zertrümmerte mit ihm einen rostigen Türgriff. Hinter der Tür gab es ein anderes Treppenhaus.
    Dax sagte nichts, als sie nach unten gingen,

Weitere Kostenlose Bücher