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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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Wahrheit.«
    »Die meisten der Bergungstrupps brauchen in Saugers Taverne nichts zu bezahlen, weder für die Getränke noch für das Essen oder die Frauen«, fügte Sebastian hinzu. Dann schien er über Hadrians Worte nachzudenken. »Ich weiß nicht, wer Shenker bei dem Mord an Ihrem Freund Jonah geholfen hat, falls Sie das meinen. Es gab manchmal Besprechungen mit Leuten aus Carthage, aber für gewöhnlich weit draußen auf dem See. Zwei oder drei der Dampfer trafen sich, und dann wurden neue Befehle ausgegeben. Man brauchte Männer, um bei der Entladung von Getreide zu helfen. Oder wir wurden nach Carthage geschickt, um Vorräte abzuholen und per Pferd zu der Fabrik zu schaffen.«
    »Wohin genau in Carthage?«
    »Zu einer Pferderanch südlich der Stadt. Ein Karren holte uns am Kai ab und brachte uns hin. Ein großes Anwesen, mit Rennpferden. Manchmal war der Eigentümer da, aber wir haben ihn nie zu Gesicht bekommen.«
    »Meinen Sie den Holländer?«
    »Nein, der ist tot. Einige der Fischer lachen immer noch darüber, wie er gestorben ist. Der neue Eigentümer. Aus Carthage.«
    Hadrian beugte sich vor. Sebastian redete hier gerade über das letzte Puzzlestück, den Dreh- und Angelpunkt, die unsichtbareVerbindung zur Regierung. »Sie haben ihn nie gesehen?«
    »Nie. Er kommt nachts in einer schwarzen Kutsche, bleibt in dem großen Haus und hat mehrere dieser Schakale als Wachen dabei. Die sind in Carthage immer für die Sicherheit zuständig. Auf dieser Seite des Sees möchte Sauger, dass wir das erledigen. Eine Gruppe aus meinem Stamm wartet in New Jerusalem, um Kinzlers große Lieferung zu begleiten.«
    »Sauger verlässt sich auf Ihre Leute. Sie haben doch gesagt, dass Ihre Mutter ein neues Heim im Wald errichtet.«
    Sebastian starrte ihn an. »Ich verstehe nicht.«
    »Sie könnten ein Gründer sein, Sebastian. Sie, Ihre Mutter und Ihre anderen Brüder. Erzählen Sie Ihrem Stamm, was Sauger macht. Dass er die Kinder in Carthage auslöscht. Dass er uns in den Hungertod treibt. Sie könnten ihn von seinen Bergungsgütern abschneiden. Falls er andere schickt, wüssten Sie, wie man sie aufhält. Wir brauchen in dieser Welt nicht noch mehr Bergungsmissionen. Wir müssen aus uns selbst heraus existieren. Sie könnten gute Freunde in Carthage haben. Es gibt bei uns einen alten Priester, den ich Ihrer Mutter gern vorstellen würde.«
    Aus dem Wald hinter ihnen rief eine Eule. Von weit unterhalb ertönte eine Antwort.
    »Als ich noch klein war«, sagte Sebastian mit einer seltsamen Sehnsucht in der Stimme, »hat mein Großvater oft am Lagerfeuer gesessen und duftendes Holz verbrannt. Zeder oder auch Apfel, wenn er welches bekommen konnte. Er hat gesagt, der Rauch würde die Geister unserer Vorfahren und ihre alten Götter anlocken. Ich habe ihn einmal gefragt, ob ich bei ihm bleiben und mit ihnen reden könne, und er sagte, ich sei noch zu jung, um all die Wörter zu lernen, die gesprochen werden müssten, und dass er sie mir beibringen würde,wenn ich älter sei. Ich tat so, als würde ich weggehen, habe mich aber zwischen den Bäumen versteckt. Er saß stundenlang da, vollführte Gesten in dem Rauch und rief alte Worte, heilige Worte. Unsere Vorfahren hätten dieses Land seit Tausenden von Jahren bewohnt, hat er mir mal erzählt, und ihre Geister seien in der Nähe, wenn wir sie bräuchten. Aber all jene, die die Beschwörungsformeln kannten, sind bei der großen Katastrophe gestorben. Und nun denken die Geister, dass wir sie nach all den Jahren vergessen hätten. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als die Geister meiner Mutter auszuleihen.« Er hob den Rosenkranz.
    »Ich glaube, dass die Worte in Ihrem Herzen warten«, erwiderte Hadrian. »Und wenn Sie sie finden, werden die Geister Ihnen zuhören.«
    Am nächsten Morgen war Sebastian nicht mehr da.
     
    Der Eisfrachter für Sankt Gabriel lag bei ihrer Ankunft immer noch im Hafen von New Jerusalem. Von Schlitten wurden soeben kleine Fässer verladen, offenbar der letzte Rest der Fracht. Da das eingezäunte Areal niedergebrannt war, würden die Drogen aus den Fässern in Sankt Gabriel veredelt werden müssen. Waren sie jedoch erst einmal dort eingetroffen, würden sie genug Grundstoff für Hunderte von Dosen liefern. Während der Steuermann das Eis von der Takelage abschlug, zählte Hadrian mindestens acht weitere Männer auf oder bei dem Boot, und nicht zum ersten Mal an jenem Tag wünschte er, er hätte Sebastian zum Bleiben überreden können. Wenigstens zwei der

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