Die Asche der Erde
Geister und ihre Reisen erzählt. Er sagte, der dort würde nicht mehr reisen, denn wir hätten gerade mit angesehen, wie sein Licht erloschen ist. Dann hat Mr. Jonah ein Stück Papier aus der Tasche gezogen und sich Notizen gemacht. Und er hat den Beutel aus Störhaut gefunden, in dem der Rest der Medizin war. Er hat gesagt, er würde uns an dem Tag nichts vorlesen. Ich sollte zum Fischereigelände gehen und dort Bescheid sagen, dass man den Toten abholt.«
Jonah hatte zugesehen, wie das Licht eines Geistes erloschen war. Die Worte gingen Hadrian noch durch den Kopf, nachdem die anderen längst eingeschlafen waren.
In der letzten Nacht vor New Jerusalem wurde Hadrian durch ein leises Rasseln aus dem unruhigen Schlaf geweckt. Zuerst dachte er, das Geräusch stamme von einem kleinen nachtaktiven Tier auf dem nahen Sims, einer Wald- oder Wühlmaus, die zähneklappernd einen Eindringling von ihrem Nest vertreiben wollte. Doch als er aufstand und hinging, hörte es nicht auf. Sebastian war anfangs lediglich eine weitere graue Erhebung in der Landschaft voller Felsblöcke, aber dann bewegte er sich, und Hadrian sah den Lauf der Waffe schimmern. Das Geräusch ging von dem Erstgeborenen aus, von seinen Händen. Als Hadrian weiterschlich, hörte er die Worte.
Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade
. Der Erstgeborene betete einen Rosenkranz.
Hadrian setzte sich neben ihn. Sebastian fuhr noch eine Weile fort und beendete das Gebet. »Verzeihung«, sagte Hadrian. »Ich konnte nicht schlafen. Ich wusste nicht, dass noch jemand hier ist.« Man konnte von dem Sims aus einen Fluss und ein großes Stück Wald überblicken. In vielen Meilen Entfernung war die silbrige Ebene des gefrorenen Sees zu erahnen.
Sebastian hob den Rosenkranz. »Meine Mutter ist auf eine dieser alten christlichen Schulen gegangen. Sie betet jeden Tag und hat jedem von uns einen Rosenkranz mitgegeben, als wir mit den Bergungsmissionen angefangen haben. Es wird ihr nicht gefallen, wenn sie von mir hört, dass ich diesen Shenker getötet habe.«
»Shenker hat Ihren jüngeren Bruder ermordet.«
»Das werde ich ihr nicht erzählen. Es würde sie zugrunde richten.«
»Dann sagen Sie ihr, er sei ein Mörder gewesen, der noch viele andere umbringen wollte.«
Der Erstgeborene nickte. »Und wissen Sie, was sie dann machen wird? Sie wird für Shenkers Seele beten. Sie wirdmich auffordern, mich ihr anzuschließen. Ich glaube nicht, dass ich das schaffe.«
Schweigend beobachteten sie den Himmel. Hoch oben verging ein Meteor – oder ein sterbender Satellit – in einer Leuchtspur.
»Haben Sie sich je gefragt, was aus Sankt Gabriel hätte werden können, falls Sie Sauger und seine Männer damals weggeschickt hätten?«, fragte Hadrian.
»Wir waren drei Dutzend, aber hauptsächlich Kinder und Frauen. Ich bin erst fünf oder sechs Jahre alt gewesen. Unsere Männer waren zur Arbeit in den Städten, als der Himmel eingestürzt ist. Sauger hatte ein Dutzend kräftiger Kumpane. Sie haben geholfen, unser erstes Haus zu bauen. Was heute Saugers Taverne ist, war früher unsere Kirche. Der Hühnerfarmer hatte die Kapelle all die Jahre vor dem Verfall bewahrt. Anfangs sind die Männer gekommen wie alle anderen auch, haben mitgesungen und zugehört, wenn meine Mutter aus ihrer Bibel vorgelesen hat.«
»Doch heute ist es ein Ort voller Sklaven, Diebe und Mörder.«
Sebastian blieb lange stumm. »Ich schätze, es hängt von den Gründern ab, was aus einem Ort wird«, sagte er dann. »Sauger hat Sie einen der Gründerväter von Carthage genannt.«
Die Worte trafen Hadrian schmerzhafter, als Sebastian beabsichtigt hatte. »Ich schätze, es kommt auch darauf an, welche der Gründer sich durchsetzen können.«
Sie schwiegen wieder und beobachteten den Himmel.
»Hat Shenker je von dem Mord an Jonah Beck erzählt?«, fragte Hadrian schließlich.
»Als er mal betrunken war, hat er geprahlt, er habe Carthage das Herz herausgeschnitten.« Sebastian sah ihn fragend an.
»Shenker hat Sauger verehrt«, fuhr der Erstgeborene fort, als Hadrian nicht reagierte. »Er hat gesagt, er sei ein Genie.«
»Ein Genie darin, Leute zu benutzen und nach Gebrauch wegzuwerfen«, sagte Hadrian. »Sie und die Erstgeborenen erledigen für ihn die schwersten körperlichen Arbeiten. Er hat die Händler, Fischer und Müller überzeugt, mit ihren Machenschaften fortzufahren, aber ihm zwecks noch größerer Erträge die Organisation zu überlassen. Nur eine kleine Führungsgruppe kennt die
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