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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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unserem Paradies auf Erden keine Morde.«
    »Du kannst ihn aufhalten«, sagte Buchanan angespannt. »Du musst ihn aufhalten.«
    »Sag mir, Lucas, wieso sollte ich das tun?«, fragte Hadrian.
    Der Gouverneur fuhr herum. Hadrian rechnete halb damit, dass er sich quer über den Tisch auf ihn stürzen würde. Doch Buchanan hielt inne und atmete tief durch. »Ich gebedir deine Freiheit zurück«, erwiderte er mit mühsam unterdrückter Wut. »Du wirst nicht verbannt.«
    »In vier Tagen ist meine Strafe ohnehin verbüßt. Und wir wissen beide, dass du mich mit einem Federstrich jederzeit ins Exil befördern kannst.«
    »Es wird vor dem Rat offiziell zu Protokoll gegeben. Keine Verbannung. Völlige Bewegungsfreiheit. Ein Ausdruck unseres Dankes für deine Hilfe während der Löscharbeiten.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch in deiner Kolonie leben möchte.«
    Buchanans Blick bohrte sich in Hadrians Augen. »Du Hundesohn! Was willst du?«
    »Meine Armbinde kommt runter. Hör auf, deine Slogans auf die Wände zu malen. Und dann die Brücke. Du hast Jonah versprochen, eine Brücke über die westliche Schlucht zu errichten.«
    »Das geht zu weit! Ich lasse mir von dir nicht den Einsatz der öffentlichen Mittel diktieren.«
    »Nach der Brücke muss der Bau einer Straße folgen. Dann Wagenladungen voller Getreide. Die Silos der Kolonie werden bald überquellen.«
    »Lächerlich! Dieses Getreide ist unser Herzblut! Ohne es könnten wir nie und nimmer den Winter überstehen. Ich fordere den Rat ständig auf, die Anbaufläche zu vergrößern.«
    »Die Ernte war so ertragreich wie noch nie.«
    »Es gibt ja auch mehr hungrige Mäuler zu stopfen.«
    Hadrian starrte ihn an. »Du hast nie vorgehabt, die Brücke zu bauen«, sagte er schließlich. »Du hast Jonah angelogen, um ihn zu beschwichtigen. Mein Großvater hat mir mal erzählt, dass es sich immer rächt, einen Toten belogen zu haben.«
    »Es geht nicht. Die Bevölkerung wird es nicht zulassen. Du weißt doch, wie verhasst die Briketts sind.«
    »Nur weil du es den Menschen eingeredet hast.« Hadrian stand auf, als wolle er gehen. »Ich kann warten, bis ich meine Strafe verbüßt habe. Dann verschwinde ich im Wald, und du darfst dich ab jetzt vor jedem Schatten fürchten. Ich frage mich, was die Leute wohl glauben werden, wenn sie dich plötzlich umgeben von Leibwächtern sehen, wo du ihnen doch schon versichert hast, dass Jonahs Tod bloß ein weiterer Selbstmord war.«
    Buchanan verzog das Gesicht. Er musste sich eindeutig zwingen, ruhig zu bleiben. »Die Bibliothek braucht ein neues Dach.«
    »Teil die Arbeiter auf. Ich werde jedenfalls nicht die Drecksarbeit für dich erledigen, solange nicht mit dem Bau der Brücke begonnen wurde. Jonah hat dir bereits Konstruktionszeichnungen vorgelegt. Zuerst kommen die Verankerungspfeiler auf unserer Seite der Schlucht …«
    »Den Gouverneur zu erpressen bedeutet Hochverrat.«
    »Ein solches Gesetz existiert nicht. Ich bin gespannt, wie du dem Rat erklären willst, weshalb du ausgerechnet jetzt eines benötigst.«
    Die Erwähnung der Ratsversammlung schien Buchanan unangenehm zu sein. Sein Einfluss auf dieses höchste politische Gremium der Kolonie war bestenfalls dürftig. Nur drei der sieben Stimmen standen verlässlich auf seiner Seite, und der durch Jonahs Tod frei gewordene Sitz bedeutete einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor.
    »Kehr zurück in das Loch, aus dem du gekrochen bist«, stieß Buchanan zwischen den Zähnen hervor.
    Hadrian zuckte die Achseln. »Die Täter haben ein Messer auf Jonahs Tisch zurückgelassen. Hast du es gesehen? Ein altes Schwert, heruntergeschliffen, schwer und scharf wie eine Rasierklinge. Eine solche Waffe schneidet dein Herz in zwei Teile, bevor du auch nur merkst, was da gerade mit dir passiert.«
    Ein Arbeiter der Stadt entzündete die Fischtranlaternen, die an jeder Straßenecke hingen. Hufe klapperten über Pflastersteine. Aus einer Taverne im Hafenviertel erklang ein unzüchtiges Lied. In einem Stall wieherte ein Pferd. Hadrian genoss die wiedererlangte Freiheit und blieb stehen, um den aufgehenden Mond über dem endlosen Wasser zu betrachten. Dann schlich er sich durch die Hintertür eines L-förmigen Holz- und Steinhauses, das größer war als alle anderen Bauten der Kolonie, ausgenommen das Regierungsgebäude.
    Die Frau, die am Küchentisch vor dem riesigen Holzherd saß, bemerkte ihn zunächst gar nicht. Das braune Haar mit den grauen Strähnen hing ihr ins Gesicht. Sie

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