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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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alte Leichenwagen der Kolonie rollte einer Prozession bekümmerter Würdenträger voran, gefolgt von einer der beiden Kapellen der Stadt, die ein Klagelied spielte. Für die Beisetzung von Jonah Beck hatte der Gouverneur sogar beide Orchester antreten und am Rand des Friedhofs eine Rednertribüne errichten lassen.
    Hadrian stand im Schatten eines Ahornbaumes und hörte zu, wie die Führer von Carthage den alten Mann rühmten. Der Heiland wurde angerufen und der heilige Petrus ebenfalls. Die Stadt hatte schon vor langer Zeit vergessen, dass ihr ortsansässiger Zauberer ein Jude war. Eine Frau schwenkte ein Weihrauchstäbchen über dem Sarg. Eine ältliche Matrone, die dafür bekannt war, die erste Bank der Kolonie gegründet zu haben, erklomm das Podium und schilderte, sie habe Jonah in Gestalt eines großen weißen Vogels gen Mond aufsteigen gesehen. Das alles hier war weniger ein Begräbnis als vielmehr eine Art Trauerzirkus. Jonah hätte sich köstlich amüsiert.
    Hadrian zog sich auf einen flachen Hügel zurück und setzte sich ins Gras. Es war ein kühler Tag, und der Wetterwechsel ließ riesige Gänse- und Entenschwärme in Richtung Süden aufbrechen. Die grün-blaue Flagge der Kolonie an dem weiß getünchten Pfosten in der Mitte des Friedhofs flatterte auf Halbmast. Polizisten in braunen Uniformen patrouillierten am Rand der Menge entlang. Ein geschäftstüchtiger Händler bot heißen Apfelmost, frische Äpfel und schwarze Armbinden zum Verkauf. Neben dem offenen Grab warteten vier Arbeiter mit Schaufeln. Ein breitschultriger Mann im Anzug lehnte rauchend an einem Baum und wandte sich ab, als er Hadrians Blick bemerkte. Hadrian erkannte ihn dennoch wieder. Er hatte ihn bereits vor einer halben Stundegesehen, in der Nähe der Bibliothek. Wurde er von dem Kerl verfolgt?
    Hadrian umschlang die Knie vor der Brust und versuchte, sich auf die Redner zu konzentrieren. Doch er musste immer wieder zu dem offenen Grab schauen, und sein Schmerz kehrte zurück.
Suche zuerst die Wahrheit
. Jonahs Stimme sprach die Worte in seinem Kopf und rüttelte ihn auf. Es war vielleicht nur die Erinnerung daran, die Wahrheit über alles andere zu stellen. Es konnte aber auch bedeuten, dass nach der Wahrheit noch mehr kam. Geistesabwesend beobachtete er, wie Kenton, der seine neuen Lieutenant-Abzeichen trug, zu Buchanan ging und sich dringlich mit ihm beriet. Dabei wies Kenton auf den hinteren Teil der Menge. Schließlich zog er sich mit finsterer Miene zurück. Er war eindeutig unzufrieden.
    Kurz darauf kam er zwischen den Trauergästen zum Vorschein und marschierte auf Hadrian zu. Seine Hand lag auf seinem Schlagstock.
    »Falls ich im Umkreis von hundertfünfzig Metern um den Gouverneur ein Brikett entdecke, verbringst du die Nacht im Krankenhaus«, drohte der Lieutenant.
    »Verzeihung?«, murmelte Hadrian. Er registrierte hinter sich eine Bewegung, wich Kentons wütendem Blick jedoch nicht aus.
    »Ich habe für deine verfluchten Spielchen nichts übrig, Boone. Ich werde dir mit Freuden …« Kentons Stimme erstarb. Er schaute über Hadrians Schulter hinweg.
    Hadrian wandte sich um. Er war auf drei Seiten von Kindern umgeben. Auf einer Seite war Dax, auf der anderen Sarah und ihre Schwester und hinter ihnen mindestens ein Dutzend ihrer Gefährten.
    Der Lieutenant war immer noch wütend. »Ihr habt ja keine Ahnung!«, rief er, machte kehrt und eilte zurück andas Grab. Dieses eine Mal war Hadrian mit ihm einer Meinung.
    Als er sich erneut umwandte, um nach einer Erklärung zu fragen, hatten die Kinder sich wieder hinter die Hügelkuppe zurückgezogen. Nur die kleine Dora war noch zu sehen. Sie zögerte und winkte Hadrian zaghaft zu. Dann zog jemand an ihrem Arm, und auch sie verschwand außer Sicht. Er blickte wieder zu der Trauergemeinde. Kenton war weg. Der Mann am Baum hatte sich die nächste Zigarette angezündet. Er beobachtete nicht die Menge. Er beobachtete den Hügel. Er beobachtete Hadrian.
    Es gab in der Kolonie kaum jemanden, dessen Leben nicht von Jonah berührt worden wäre, und so wurden zahlreiche Lobreden gehalten. Zuletzt kam Lucas Buchanan an die Reihe. Neben ihm stand der blonde Leibwächter Björn.
    »Diesem Toten, Freunde«, sagte der Gouverneur, »bin ich mehr Tränen schuldig, als ihr hier mich werdet zahlen sehen.« Hadrian merkte überrascht auf. Die Zuschauer fingen an zu tuscheln. Buchanan gab die Worte als seine eigenen aus, nicht als Zitat. Wusste er denn wirklich nichts von den vielen seltsamen Folgen

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