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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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das Fahrrad zu Boden sinken. Sie hatten das alte Lagerhaus am Waldrand erreicht. Hadrian folgte ihr dieselbe Treppe nach oben, die er am Vortag hinaufgestiegen war. Waller verharrte kurz vor der Tür, als wolle sie sich sammeln, und trat dann ein.
    »Die Wohnung schien mir zu wichtig zu sein, um unbeaufsichtigt zu bleiben«, erklärte die Polizistin angespannt. »Immerhin haben hier zwei Männer gewohnt, die gestorben sind.«
    »Die ermordet wurden«, korrigierte Hadrian sie.
    »Ich bin jedenfalls noch mal hergekommen«, sagte sie langsam. »Ich dachte, da muss doch noch etwas sein, das uns entgangen ist.«
    Hadrian bemerkte zuerst die Beine, die über die Kante des provisorischen Sofas ragten. »O mein Gott!«, keuchte er, als er die blutgetränkte Brust sah, dann das starre Gesicht mit der fragenden Miene. Die Wohnung hatte ihren dritten Toten.
    »Jansen hat mir immer in den Ohren gelegen, er wolle interessantere Aufträge. Also habe ich ihn hergebracht, ihn zur Verschwiegenheit verpflichtet und ihm befohlen, bis zu meiner Rückkehr hier Wache zu halten und jeden etwaigen Besucher zu verhaften. Er war ganz aufgeregt und hat gesagt, das würde sich zur Abwechslung mal wie echte Polizeiarbeit anfühlen.«
    Nun erst erkannte Hadrian, wer da vor ihm lag: der Beamte, den er tags zuvor ausgetrickst hatte. Er beugte sich über den Leichnam. Auf Höhe des Herzens klafften zwei Wunden. »Sie müssen Emily holen«, sagte er. »In aller Stille. Schnell.«
    »Zunächst mal schieben wir beide wieder das Bett weg«, sagte die Polizistin.
    »Die Kammer dürfte leer sein«, sagte Hadrian und zeigte auf den niedrigen Tisch neben dem Sofa. Dort stand die Flasche Whiskey, die er geöffnet hatte. Sie war inzwischen nur noch halb voll.
    Wie sie feststellten, war sogar das zertrümmerte Vorhängeschloss verschwunden. In der niedrigen Kammer lag lediglich noch der Verschluss der Whiskeyflasche. Waller, die aussah, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen, drehte sich um und ging wortlos weg.
    Hadrian streifte noch einmal durch die Wohnung. Seit seinem ersten Besuch hatten sich ein paar Kleinigkeiten geändert. Das geschnitzte Reh, das dem toten Scout gehört hatte, war nicht mehr da, ebenso die Kästen mit den Gewürzen. Auf dem Küchentisch gab es Pulverspuren neben einem Messer. In einem Aschenbecher lagen drei Zigarettenstummel der billigen, auf den Farmen hergestellten Machart, wie sie von Arbeitern bevorzugt wurde. Hadrian setzte sich gegenüber von dem ermordeten Polizisten hin, nahm die Whiskeyflasche und warf ihm einen zaghaften Blick zu. Die unausgesprochene Frage auf Jansens Gesicht schien an Hadrian gerichtet zu sein.
    Er erinnerte sich nun wieder an ihn. Zu den norwegischen Vogelbeobachtern, die aus den Bergen herabgestiegen waren, hatte ein verängstigter Halbwüchsiger gehört. Als der blonde Junge vor all den Jahren in Oslo sein Fernglas eingepackt hatte, hatte er bestimmt nicht mit einem solchen Leben – oder Tod – gerechnet.
    Hadrian wollte die Flasche an den Mund heben, hielt aber inne, musterte die bernsteinfarbene Flüssigkeit und ließ den Whiskey wieder sinken. »Tut mir leid wegen gestern«, flüsterte er dem Toten zu. »Es war nichts Persönliches.« Er stand auf, schüttete die Flasche im Spülbecken aus und knöpfte seine geborgte Uniformjacke auf. Als er sich über Jansen beugte,registrierte er weiße Flecke an dessen Fingerspitzen. Er sah genauer hin. Pulver, so wie das auf dem Küchentisch. Nach einem letzten Blick auf das fragende Gesicht bedeckte er den Kopf des Polizisten mit der Jacke. Im Raum breitete sich allmählich der Gestank des Todes aus.
    Als Emily in Begleitung von Sergeant Waller in der Wohnung eintraf, zeugte ihre kühle Miene von Verärgerung. Sie mochte es nicht, ohne nähere Erklärung herbeizitiert zu werden, vor allem nicht – wie Hadrian vermutete – in einer ihrer seltenen dienstfreien Nächte. Und sie schien ihrem Zorn nun Luft machen zu wollen.
    »Mein Gott, Hadrian!«, rief sie und sank neben dem Toten auf die Knie. »Was hast du angerichtet?«
    »Hadrian hat in einer Zelle gesessen, als das hier passiert ist«, warf Waller ein. »Officer Jansen war dienstlich in dieser Wohnung.«
    Emily warf ihr einen besorgten Blick zu und zog dann die Uniformjacke weg.
    »Ich glaube nicht, dass in Carthage vor ihm schon jemals ein Polizist im Dienst sein Leben gelassen hat«, sagte Hadrian.
    Emily neigte sich bis dicht über Jansens Augen, untersuchte seine Hände und knöpfte ihm das Hemd

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