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Die Asche der Erde

Die Asche der Erde

Titel: Die Asche der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eliot Pattison
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angesprochen zu fühlen, dem prasselnden Feuer in dem Kanonenofen, der bunten Sammlung von Flaschen an der Wand, in denen sich das Licht von zwei Dutzend Kerzen spiegelte. Es war ein unbestreitbar fröhlicher Ort.
    »Hadrian Boone!«, dröhnte der stämmige Mann hinter der Theke, als sie sich näherten. Er hatte ein breites Gesicht und sich das lange angegraute Haar im Nacken zusammengebunden. Nun wischte er sich die Hände ab und reichte sie dem Neuankömmling zum Gruß. »René Sauger.« Er nannte seinen Namen mit einem Grinsen und hämmerte dann mit einem Zinnkrug auf den Tresen, um die Aufmerksamkeit der anderen Gäste zu erregen. »Hadrian Boone! Einer der Gründerväter von Carthage!« Manche der Leute starrten Hadrian neugierig an, während Sauger ihm zuprostete, andere schauten nur kurz hin und gleich wieder weg.
    Sauger schenkte Hadrian und Sebastian je ein Glas Bier ein und führte sie zu einem Tisch am Ofen. Hadrian nippte vorsichtig an dem Getränk, musterte den freundlichen Wirtund versuchte, die einzelnen Puzzlestücke von Sankt Gabriel zu einem Bild zusammenzusetzen.
    »Ich bin verwirrt. Bin ich ein Gefangener? Oder bin ich ein neuer Freund?«
    Der Erstgeborene wich aus. »Das liegt bei Ihnen, würde ich sagen.«
    »Sie ist unschuldig, Sebastian«, sagte Hadrian. »Sie weiß nichts. Und sie verfügt außerhalb von Carthage über keinerlei Amtsgewalt. Sie stellt keine Bedrohung dar.«
    »Wir kennen die Polizei. In der alten Welt war sie immer ein Feind meines Volkes.« Er trank einen Schluck. »In der alten Welt sind mehrere meiner Angehörigen in deren Gefängnissen gelandet.«
    »In der alten Welt.«
    »Wir brauchen hier kein Gefängnis. In Carthage gibt es eines, denn dort gibt es eine Polizei.«
    Hadrian wusste nicht, ob es an seiner Müdigkeit lag oder an dem Bild von Lieutenant Kenton, das vor seinem inneren Auge aufblitzte, aber ihm fiel kein Gegenargument ein.
    Während sie schweigend tranken, beobachtete Hadrian die Männer an den Tischen um sie herum, die Bewohner dieser fremden Welt. Mehrere von ihnen hoben an den Satzenden die Stimme, sprachen also mit dem gleichen kanadischen Akzent, den er bei den Männern mit der Signallaterne oberhalb von Carthage gehört hatte. Vier der Gäste saßen ein Stück abseits an einem Ecktisch, die Kleidung staubig, die Mienen hart, aber müde. Immer wenn jemand ihnen ein Bier brachte, hörten sie kurz auf zu reden. Er erkannte, dass er sie zuvor schon gesehen hatte, als sie in die Stadt geritten waren. Auch in Carthage waren diejenigen, die regelmäßig zu Bergungsmissionen aufbrachen, ein ganz eigener Menschenschlag. Die vielen Besuche in den zerstörten Landstrichen veränderten sie irgendwie.
    Hadrians Blick schweifte anerkennend über die massiven Deckenbalken und das polierte Holz der langen Theke. Ihre Ecken waren mit Blumenschnitzereien und Engeln versehen. Über ihr sowie in einigen hohen Regalen an den Wänden standen fast ein Dutzend ausgestopfte Marder, die meisten in Angriffshaltung. Die langen Bänke vor der Wand waren ebenso verziert wie die Bar. Auf einem der Tische lag ein Spitzendeckchen.
    Mit jähem Unbehagen sah Hadrian zurück zu der Bar. Das hier war mal ein Kloster gewesen, in dem Spitze hergestellt wurde. Die Taverne befand sich in der ehemaligen Kapelle, die Bar war ein prunkvoller Altar, und auf den Bänken hatten einst die Betenden gesessen. Dazu diese Marder. Baumschakale. Er nahm die Gäste genauer in Augenschein. Mindestens ein halbes Dutzend trug Medaillons. Er erschauderte. Sankt Gabriel war von Schakalen bevölkert.
    »Was dürfen wir denn zum Abendessen servieren?«, fragte Sauger eine Weile später und riss Hadrian damit aus dem Halbschlaf. »Unser Hammelschmortopf ist der Beste in tausend Meilen Umkreis«, schlug er vor. Es klang wie ein alter Scherz. »Und dann hätten wir noch zwanzig Sorten Suppe.«
    »Zwanzig?«, fragte Hadrian ungläubig. Er hatte hier bislang keine Suppe gerochen.
    Saugers Augen funkelten. Er bedeutete Hadrian, ihm zu folgen, und führte ihn zu einer Tür hinter der Theke. Der Raum dahinter war fast so groß wie der Gastraum, allerdings viel dunkler. In der Mitte stand ein Tisch mit einer Kerze. An ihm saß mit reglosem Gesicht Dax vor einer Schüssel und zwei Blechdosen. Sauger nahm ebenfalls eine Kerze und ging zu der nächstgelegenen Wand.
    Hadrian war völlig verblüfft. An der Wand reihten sich Regale, und in jedem Fach standen Lebensmittelkonserven. Hunderte trugen die von früher vertrauten

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