Die Asklepios Papiere (German Edition)
Entdeckung gemacht…“
Nachdem er aufgelegt hatte, eilte Ginster schnell zurück in Camelias Büro und nahm das von ihm selbst – und nicht etwas von der Personalabteilung – gefertigte Schreiben an sich. Der Computer auf dem Schreibtisch war noch eingeschaltet. Um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, zog er Latex-Handschuhe an und öffnete sodann mit dem Internetbrowser eine Seite für Videouploads. Hier rief er ein Video auf, dass er bereits heute Nachmittag mit einer anonymen und damit nicht rückverfolgbaren Internetverbindung dort platziert hatte. Es zeigte Camelia bei wilden Sexspielen mit einem älteren Herren. Das Video stammte von einer versteckten Überwachungskamera im Büro des Vorstandsvorsitzenden. Er hatte den Clip jedoch so bearbeitet, dass Devon Carter nicht mehr zu erkennen war. In die Kommentarfelder unter dem Video hatte er unter unterschiedlichen Pseudonymen viele nette und höchst eindeutige Kommentare hinterlassen.
Mit einer ebenfalls anonymen E-Mailadresse schrieb er nun eine Nachricht mit einer Verknüpfung auf diese Internetseite an alle Mitarbeiter der Firma. In die Betreffzeile tippte er die Worte „Mitarbeiterin des Monats.“
Was hätte eine Tochter aus gutem Hause nach einer solchen Rufmordkampagne auch anderes machen sollen, als Selbstmord zu begehen?
Nachdem der Sicherheitschef in Camelias Büro fertig war, ging er in den Technikraum seiner Abteilung. Hier hatte er vollen Zugriff auf alle Kameras und Aufzeichnungen des Überwachungssystems. Er wusste genau, welche Kameras ihn vorhin gefilmt hatten. Mit seinem Sicherheitscode, der ein Entdecken seiner Manipulation verhindern würde, löschte er an den entscheidenden Stellen der Aufzeichnungen einige Sekunden und programmierte die Timecodes neu, sodass nicht auffiel, dass rund fünf Minuten auf wundersame Art und Weise einfach verschwunden waren.
Zufrieden grinsend machte er sich eine viertel Stunde später zurück auf den Weg in sein Büro, um auf das Eintreffen der Polizei zu warten.
31.
O hne recht zu wissen, was sie als nächstes tun sollten, verließ Hannah zusammen mit Lennard das Gebäude des kybernetisch-technischen Instituts der Sorbonne . Sie musste sich eingestehen, dass ihr nach den Ereignissen in der Metro ein wenig mulmig zu Mute war. Konnte sie unbesorgt allein zurück in ihr Hotel oder musste sie einen weiteren Anschlag befürchten? Würde der ominöse Unbekannte ihr im Hotel in der Erwartung auflauern, die Speicherkarte doch noch zu bekommen?
Als hätte Lennard ihre Gedanken gelesen, sagte er beim Verschließen seines Büros: „Also ich finde, du solltest heute nicht mehr alleine ins Hotel. Wer weiß, was noch alles passiert. Komm doch einfach mit in die WG. Peter hat bestimmt nichts dagegen, wenn du in seinem Zimmer übernachtest. Morgen früh fahren wir dann zusammen zu Pére Lachaise .“
Er sah sie fragend an. „Was hältst du davon?“
„ Ich will dir keine Umstände machen.“
„ Was denn für Umstände? Außerdem hab ich doch schon gesagt, dass Peter mein Freund ist und wir der Sache zusammen auf den Grund gehen.“
„ Aber alle meine Sachen sind im Hotel“, warf Hannah halbherzig ein.
„ Das kriegen wir schon irgendwie hin“, Lennard zwinkerte ihr aufmunternd zu.
Erleichtert, dass dieser Vorschlag von Lennard kam, hakte sie sich unter seinen linken Arm und schlenderte mit ihm über den Campus.
Die Sonne stand noch hoch über ihnen und brannte heißer als zuvor. Die Abkühlung des klimatisierten Büros hielt nicht lange an. Das erste, was sie in Lennards und Peters Wohnung tun würde, war eine kalte Dusche zu nehmen. Doch zuvor übermannte sie spontan ein lukullisches Verlangen der besonderen Art.
„ Was hältst du davon, noch einen Kaffee trinken zu gehen? Ich habe auf meinem Weg hierher vorhin einen Starbucks gesehen. Da gibt es doch so leckeren Frappuccino.“ Sie sah ihn mit großen Rehaugen an. „Du musst wissen, ich liebe Frappucino!“
Lennard schüttelte ungläubig den Kopf.
„So ein Laden wie Starbucks hat nur einen Sinn: Völlig entscheidungsschwachen Menschen beizubringen, sechs Entscheidungen zu treffen, um nur eine Tasse Kaffee zu kaufen.“
„ Schön gesagt.“
„ E-Mail für dich “, gestand Lennard das Filmzitat.
„ Der ist echt ein wandelndes Filmlexikon“, dachte Hannah und sah Lennard beinahe flehend an.
„ Aber ich hätte wirklich sooo gerne einen Frappucino.“
Natürlich konnte Lennard ihrem weiblichen Charme nicht widerstehen und so
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